Der Brite John Harvey ist im Krimigeschäft ein alter Hase. Seit Jahrzehnten wird er der Krimielite des UK zugeschlagen. Über hundert Bücher hat er geschrieben, auch unter verschiedenen Pseudonymen. Viele gute Krimis sind dabei: solide und stimmig aufgebaut, ausgefeilte Figuren, durchdachte Plots, alles eingebettet in eine realistische Szenerie. Nach den mittelprächtigen Kriminalromanen um den Privatdetektiv Scott Mitchell, den richtig guten um DI Charlie Resnick oder den noch besseren mit Ex-Cop Frank Elder liegt mit »Splitterndes Glas« nun der erste Band einer neuen Reihe übersetzt vor – auf Englisch erschien der Roman mit dem Originaltitel »Gone to Ground« schon 2007.
Splitternde Biografien
Im Mittelpunkt steht das Ermittlerduo DI Will Grayson und DS Helen Walker von der Polizei in Cambridge. Die beiden gehen dem Mord an einem Unidozenten nach. Der wurde brutal in seinem Haus erschlagen – vielleicht von seinem Exfreund, vielleicht liegt aber auch Homophobie der Tat zugrunde. Eine dritte Spur ist das Buch, an dem der Mann gerade arbeitete: die Biografie einer Schauspielerin, die vor ein paar Jahren ums Leben kam. Ihr bekanntester Film trug den Titel »Splitterndes Glas«.
Splitternde Zusammenhänge
Der Roman lässt sich zunächst gut an: Die Figuren sind lebendig, das Setting wirkt glaubwürdig. Harvey zeigt das Cambridge hinter der beschaulichen Touristenfassade, jenseits der Klischees des ehrwürdigen Universitätsstädtchens – Arbeitslosigkeit, Rassenhass, Schwulenfeindlichkeit – und schafft ein komplexes Plotgeflecht, dessen Fäden er souverän in der Hand hält. Zumindest bis kurz vor dem Ende. Denn da scheint es, als wäre ihm plötzlich aufgefallen, dass er schon über 400 Seiten zusammen hat und nun aber mal hurtig zum Ende kommen muss. Nach dem ganzen aufwändigen Aufbau wählt Harvey jetzt für den einen Strang die schnellstmögliche Lösung, und für den anderen greift er in die mottenzerfressene Motivkiste des Krimis. Das ganze schöne Gerüst, das er zuvor aufgebaut hat, klappt sang- und klanglos zusammen, das komplexe Geflecht zerfasert, Verschränkungen und Verbindungen, die er geschaffen hatte, gehen verloren. Zurück bleiben Enttäuschung und ein schaler Geschmack im Mund.
Katherine McDonald arbeitet in der New Yorker Bronx als Behördenanwältin bei der Administration for Children’s Services (ACS), der Kinder- und Jugendschutzbehörde. Als mehrere halbwüchsige Jungen vergewaltigt und ermordet werden, wird sie von der Staatsanwaltschaft als Beraterin hinzugezogen, um bei der Suche nach dem Mörder zu helfen. Wie Katherine feststellen muss, war das letzte Opfer einer ihrer Schützlinge.
Die Mitarbeiter der Jugendschutzbehörde, die Polizisten, die Sozialarbeiter – in Cynthia Webbs Kriminalroman »Die Farbe der Leere« sind sie weder Helden noch kalte Prinzipienreiter, sondern Menschen, die sich zwischen Engagement, Hilflosigkeit und Überforderung aufreiben. Webb gelingt es, ein überzeugendes Gleichgewicht zu halten zwischen Betroffenheit und Distanz: Die Erzählhaltung ist beteiligt, aber nicht hysterisch, desillusioniert, aber nicht zynisch. Ein bitter realistischer Krimi, der unter die Haut geht.
Blinde sehen mehr
Zweifellos berührend ist auch »Die Tat« von Friedrich Ani. Es ist eines der beeindruckendsten Bücher des Münchner Autors und das aktuellste um den erblindeten Exkommissar Jonas Vogel. Dieser wird, weil er ein ausgeprägtes Gespür für die Nuancen in Tonfällen hat, von den ehemaligen Kollegen »der Seher« genannt. Zwar ist er aufgrund seiner Erblindung vom Dienst suspendiert, doch schaltet er sich auch weiterhin in Ermittlungen ein – so auch in die Suche nach demjenigen, der im Laufe der letzten Monate in München drei Menschen erdrosselt hat. Die Befragung der Zeugen führt nicht nur in die verlorene Einsamkeit der Familien der Opfer, sondern macht auch die Kälte in Jonas Vogels eigener Welt offenkundig.
Ani ist einer der ganz wenigen deutschen Krimiautoren, die keinerlei Scheu vor ihren Figuren haben: Er blickt tief in die Menschen hinein und macht ihre Einsamkeit und ihre Hilflosigkeit spürbar, ihr Scheitern an sich und den anderen, ihr Verzweifeln an der Lieblosigkeit und der Mühseligkeit des Lebens. Mit seinen intelligenten Romanen leuchtet Ani familiäre und gesellschaftliche Räume aus, die fremd erscheinen und doch so nah sind.
Skurril-charmante Heilige
Eine der bekanntesten Krimiautorinnen Frankreichs ist Fred Vargas. Sie hat nicht nur die Romane um den intuitiven Wolkenschaufler Kommissar Adamsberg geschrieben, sondern auch die sogenannten Kehlweiler-Krimis: In ihnen klären drei Historiker – Mathias, der Paläontologe, Marc, der Mediävist, und Lucien, der Neuzeitler, genannt »die drei Heiligen« – mithilfe des ehemaligen Polizeiinspektors Louis Kehlweiler Verbrechen in Paris auf.
Die drei Krimis »Die schöne Diva von Saint Jacques«, »Das Orakel von Port Nicolas« und »Der untröstliche Witwer von Montparnasse« liegen nun gesammelt in einem Band unter dem Titel »Die drei Evangelisten« vor – wie man es von Fred Vargas kennt: gewohnt intelligent, skurril und sehr charmant.
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Cynthia Webb: Die Farbe der Leere
Aus dem Englischen von
B. Szelinksi und Else Laudan
Ariadne im Argument Verlag 2011
Tb., 250 Seiten, 12,99 Euro
ISBN 978-3-86754-187-9
Friedrich Ani: Die Tat
dtv 2010
Tb., 191 Seiten, 7,95 Euro
ISBN 978-3-423-21198-7
Fred Vargas: Die drei Evangelisten
Aus dem Französischen von Tobias Scheffel
Aufbau Verlag 2011
geb., 722 Seiten, 19,99 Euro
ISBN 978-3-351-03359-0
Paris kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Zwar körperlich unversehrt zurückgekehrt, doch nachhaltig desillusioniert schlägt sich René Griffon recht gewitzt als Privatdetektiv durch. Bei seinem neuesten Fall scheint es sich zunächst um etwas eher Unspektakuläres zu handeln: Die Frau des Colonels Fantin de Larsaudière nimmt es mit der ehelichen Treue nicht so genau, und der gefeierte Kriegsheld wird deswegen erpresst. Doch Griffons Nachforschungen drohen einige ganz andere Dinge aufzudecken, die der Colonel lieber im Dunkeln gelassen hätte.
In schnoddrigem Ton schildert Didier Daeninckx in seinem Kriminalroman »Tod auf Bewährung« mit einer guten Portion Sarkasmus das Frankreich der Nachkriegszeit. Gleichzeitig rechnet er mit albernem Hurrapatriotismus ab, legt die Wunden offen, die der Krieg geschlagen hat – die offensichtlichen ebenso wie die verborgenen -, und zeigt die ungleiche Verteilung der Narben auf Arm und Reich auf. Ein ganz vorzüglicher, böser, rotziger Krimi von einem der bedeutendsten Vertretern des französischen Noir, der hierzulande noch viel zu unbekannt ist.
Bandenkrieg im berühmtesten Rotlichtviertel der Welt
Einer der wichtigsten Vertreter des deutschsprachigen Noir ist Frank Göhre. Dessen »Kiez-Trilogie« – die St.-Pauli-Romane »Der Schrei des Schmetterlings«, »Der Tod des Samurai« und »Der Tanz des Skorpions« – erscheinen nun gesammelt im Pendragon Verlag, ergänzt um ein aktuelles Nachwort des Autors, das Hintergründe und Materialen zur »Kiez-Trilogie« bietet. Göhre – preisgekrönter Roman- und Drehbuchautor – bindet Fiktion in Fakten ein und orientiert sich am Kiez-Auftragskiller Werner »Mucki« Pinzner, dem Bandenkrieg und dem Hamburger Polizeiskandal der achtziger Jahre. Präzise, lebensnah und ohne Weichspüleranteile zeichnet Göhre das Rotlichtmilieu der Reeperbahn und die Verflechtungen von Politik, Polizei und organisierter Kriminalität.
Tödliche Abgründe
Weitgehend fiktional ist der neue Krimi von Håkan Nesser: Ein rund sechzigjähriger Mann liegt tot am Grund der sogenannten Gänseschlucht. Vor genau 35 Jahren stürzte seine damalige Lebensgefährtin an exakt derselben Stelle in den Tod. Damals sprach das meiste für einen Unfall. Auch der Todesfall heute lässt nicht zwingend darauf schließen, dass noch jemand Drittes darin verwickelt ist. Ein Selbstmord? Um nach mehr als dreißig Jahren mit der Geliebten vereint zu sein? Oder steckt doch mehr dahinter? Denn es gibt ein paar Hinweise, die sich nicht so ganz ins Bild passen.
Inspektor Gunnar Barbarotti und seine Kollegin Eva Backman kommen bei den Ermittlungen nur langsam voran, denn die Anhaltspunkte sind spärlich und Zeugen gibt es keine. Parallel dazu werden die Ereignisse vor 35 Jahren aufgerollt. Als Leser nähert man sich so auf zwei Ebenen dem Freundeskreis, dem die beiden Toten angehörten: drei Männer und drei Frauen, über Jahre verbunden, getrennt durch Geheimnisse, einsam bei aller Gemeinsamkeit. Håkan Nessers Kriminalroman »Die Einsamen« besticht durch seine ruhige Erzählweise und einen genauen Blick auf die Figuren und ihre inneren Abgründe.
Geliebt, verkauft, vergessen
Teilweise in die Vergangenheit führt auch der neue Roman von Kate Atkinson: »Das vergessene Kind«. Die pensionierte Polizistin Tracy Waterhouse kauft in einem Moment der Geistesabwesenheit einer Prostituierten ein Kleinkind ab. Prompt steht sie nicht nur auf der anderen Seite des Gesetzes, sondern wird auch von unterschiedlichsten Parteien verfolgt. Zudem wird ein alter Mordfall wieder aufgerollt, zu dem Tracy am Anfang ihrer Polizeilaufbahn gerufen wurde. Auch damals spielte ein Kleinkind eine gewichtige Rolle. Parallel dazu sucht Expolizist Jackson Brodie im Auftrag einer Klientin nach deren leiblichen Eltern.
Kate Atkinson spielt mit den unterschiedlichsten Aspekten der Liebe zu Kindern, die sie gekonnt in die verschiedenen Erzählstränge einbindet. Diese Stränge berühren einander, verknoten sich, lösen sich wieder und krachen am Ende furios und unaufhaltsam aufeinander. Um einen Krimi handelt es sich dabei eher am Rande, vielmehr verflechten sich Handlungen und Ereignisse zu einem dichten Gewebe, in dem nichts wirklich zufällig geschieht und doch nichts so verläuft wie geplant. Atkinson gelingt dies mit großer Souveränität und einem sehr entspannten schwarzen Humor, der gefangen nimmt.
Fliegenpilz als Lebensmittelpunkt
Eine unterirdische Verbrecherrepublik, ein verborgener Wald, eine bislang unbekannte Varietät der Dahurischen Lärche, große Mengen an Fliegenpilzen, ein haiartiges Schwimmbad – willkommen in der Welt des Heinrich Steinfest. Die Handlung seines neuen Kriminalromans »Die Haischwimmerin« hüpft und springt ausgelassen, macht Ausfallschritte, kümmert sich nicht um Leseerwartungen, kippt manchmal kurz ins Klamaukige – und fasziniert ebenso mit Einfallsreichtum und grandiosen Volten, wie Steinfests Sprache mit Manierismen nervt, begeistert und punktgenau trifft.
Spielerisch und bei aller Phantastik stabil bodenständig erzählt der baden-württembergische Österreicher dieses Mal überraschend gradlinig und webt wie gewohnt ein dichtes Netz an Bezügen zu TV-Serien, Filmen, Comics, Literatur. Sehr eigen und sehr empfehlenswert!
Kate Atkinson: Das vergessene Kind
Aus dem Englischen von Anette Grube
Knaur 2011
geb., 464 Seiten, 19,99 Euro
ISBN 978-3-426-19910-7 auch erhältlich als eBook (hier klicken)
Im kältesten Winter des Jahrhunderts werden in Hamburg innerhalb weniger Wochen die Leichen von vier Ermordeten gefunden: zwei Frauen, ein alter Mann, ein kleines Kind. Oberinspektor Stave wird beauftragt, den Mörder aufzuspüren. Dazu stellt man ihm einen britischen Verbindungsoffizier zur Seite – denn es ist das Jahr 1947, es herrscht der sogenannte Hungerwinter. Hamburg gehört zur britischen Besatzungszone und liegt in Trümmern.
Die zerstörte Stadt ist mehr als nur Kulisse in diesem historischen Krimi: Sie spiegelt die Zerstörung im Innern der Figuren wider, ihre zerrissenen Lebensläufe und die zersprengten Familien. Cay Rademacher schafft es recht gut, anhand seiner Figuren das Leben im Nachkriegsdeutschland nachzuzeichnen: Hunger, Wohnungsnot, verschollene Familienangehörige, traumatische Verluste, die Probleme im Umgang mit der jüngsten Vergangenheit, der Nazi-Zeit, und den Kriegserfahrungen.
Interessantes Zeitporträt, doch blasse Charaktere
Grundlage des Krimis ist ein tatsächliches Verbrechen aus dem Jahr 1947, das allerdings in der Realität nie aufgeklärt wurde. Rademacher hingegen findet innerhalb der Fiktion durchaus glaubhafte Antworten für die offenen Fragen nach Täter, Motiv und Vorgehen.
Allerdings bleiben seine Figuren insgesamt recht blass und neigen zum Referieren von notwendigen Informationen. Und dass aus dem Täter nun unbedingt ein Serienmörder gemacht werden muss und dann zudem so eine Art früher Profiler aufgesucht wird, wirkt eher anachronistisch. Als Porträt einer Zeit ist Rademachers Roman durchaus überzeugend, doch als Krimi bleibt er farblos.
In den schottischen Highlands versucht Caitlin Anderson, sich ein neues Leben aufzubauen. Doch schon wenige Tage, nachdem sie ihren neuen Job bei einer karitativen Stiftung angetreten hat, stolpert sie über eine Leiche: Es handelt sich ausgerechnet um ihren Exmann, vor dem sie sich in der schottischen Idylle verbergen wollte. Damit nicht genug: Offenbar wird sie auf Schritt und Tritt beobachtet, und Menschen, die ihr nahstehen, kommen unvermittelt zu Tode.
Parallel dazu erhält Ben Edwards, seit kurzem Reporter bei der Tageszeitung Scottish Indepen- dent, einen anonymen Hinweis, dass mehrere Kinder in Glasgow unter fragwürdigen Umständen ums Leben gekommen seien. Darin verwickelt soll ausgerechnet die »We Help«-Stiftung sein – jene Organisation, für die auch Caitlin Anderson arbeitet.
»Der frühe Tod« ist der dritte Krimi von Zoë Beck, und wie seine Vorgänger ist er temporeich, erfrischend geradeaus, atmosphärisch dicht und sorgfältig recherchiert. Zoë Beck gelingt es, ihre sehr lebendig gezeichneten Figuren mit trockenem Witz auszustatten und die verschiedenen Erzählstränge geschickt und spannend miteinander zu verweben.
Von wegen Indiana Jones
Monika Geier legt mit »Müllers Morde« bereits ihren sechsten Krimi vor: Der Umweltmanager eines großen Energiekonzerns stirbt an einer CO2-Vergiftung am Totenmaar in der Eifel. Mit ihm eine Kuh. Ein bedauerlicher Unfall, konstatiert die Polizei: Vulkanische Gase seien ausgetreten und hätten Manager wie Kuh den Tod finden lassen. Als Leser weiß man es besser, und auch der Freund des Umweltmanagers zweifelt an dieser Version. Deshalb engagiert er den Historiker Richard Romanoff, die wahren Hintergründe aufzudecken. Romanoff hat zwar ein Händchen für das Aufspüren von Artefakten, aber eine Mördersuche scheint dem etwas weltfremden Fahrradfahrer doch zu viel. Nur widerwillig lässt er sich auf diesen Auftrag ein und kommt einem sehr mysteriösen Mann mit Namen Müller auf die Spur, der in ein sehr zeitgemäßes Verbrechen verstrickt ist.
Monika Geier erzählt in »Müllers Morde« aus verschiedenen Perspektiven und mit sehr, sehr feiner Ironie. Ihre Kommissarin Bettina Boll überlässt diesmal die Hauptrolle dem Geschichtsdozenten, der wahrlich kein Indiana Jones ist. Wie stets schafft es Monika Geier, einen glaubwürdigen Plot in einer überzeugenden Szenerie zu entwerfen, die wundervoll absonderlich und gleichzeitig völlig alltäglich ist. Das funktioniert dank schräger Figuren, die nie überzeichnet sind, und intelligent-seltsamer Dialoge, die verwundertes Entzücken hervorrufen.
Gegenwärtige Vergangenheit
Staunen ruft auch der neueste Kriminalroman von Uta-Maria Heim hervor: Helene arbeitet freiberuflich als Literaturübersetzerin in einer namenlosen Kleinstadt am Rande des Schwarzwaldes. Als in ihr Büro eingebrochen wird, wird nichts gestohlen außer einer Flasche Parfüm, und doch verändert sich alles.
Eigentlich passiert nicht viel in Uta Maria Heims Roman »Feierabend« – vielleicht handelt es sich nicht einmal um einen Krimi -, und dennoch gerät alles in Bewegung. Heim schildert dies aus der Perspektive von drei Frauen unterschiedlichen Alters. Deren Wahrnehmung des inneren wie des äußeren Geschehens bildet den Kern des Romans – und alle drei sind unzuverlässige Erzählerinnen, die Dinge weglassen, verschweigen, nicht wahrhaben wollen, zum Teil auch nur unzureichend informiert sind. Wo Wirklichkeit endet, wo Realitätsverlust beginnt, verschwimmt. Ebenso verliert die Frage, ob diese Kategorien überhaupt relevant sind, an Bedeutung. Und doch zeigt sich, dass Familiengeschichte sich nicht abstreifen lässt, sondern Widerhall noch Generationen später findet – so zum Beispiel die Frage, was wirklich mit der Zwillingsschwester von Helenes Mutter passiert ist: Wurde sie vor 70 Jahren tatsächlich Opfer des NS-Euthanasieprogramms?
Uta-Maria Heim schreibt dicht und nur scheinbar naiv mit genauem Blick für Dialekte wie für Gegenwart und Gesellschaft. Das ist verwirrend und bedrängend, faszinierend und bewegend.