Am 25. Januar lief auf NDR Kultur eine Besprechung von Polina Daschkowa, »In ewiger Nacht«. Noch lässt sich der Beitrag lesen und anhören – und zwar hier: NDR Kultur: Neue Bücher
Polina Daschkowa: In ewiger Nacht
Aus dem Russischen von
Ganna-Maria Braungardt
Aufbau Verlag 2010
geb., 452 Seiten, 19,95 Euro
ISBN 978-3-351-03271-5 auch erhältlich als eBook (hier klicken)
Bald wird auch eine Rezension im Titel-Magazin erscheinen.
Hinter dem Autorennamen Jefferson Bass verbergen sich die US-Amerikaner Jon Jefferson und Bill Bass. Jefferson ist Wissenschaftsautor, Journalist und Dokumentarfilmer. Bass heißt mit vollem Namen Dr. William M. Bass und ist forensischer Anthropologe. Er ist Gründer der ersten und bekanntesten „Body Farm“: Auf dem zur University of Tennessee gehörenden Gelände werden wissenschaftliche Studien zum Verwesungsprozess von Leichen an der frischen Luft vorgenommen. Sprich: Über das Gelände verteilt liegen immer rund 40 menschliche Leichen, deren langsamer Zerfall von Kameras aufgezeichnet wird. Auf diese Weise wird untersucht, welchen Einfluss zum Beispiel Witterungsbedingungen, Todesart, Körpergewicht, Geschlecht oder Alter auf den Verwesungsprozess haben.
Gemeinsam mit Dr. Kathleen J. Reichs verfasste Bass das Buch Forensic Osteology, inzwischen ein Standardwerk der forensischen Anthropologie. Kathleen Reichs – das ist Kathy Reichs, die seit Jahren Kriminalromane um die forensische Anthropologin Dr. Temperance Brennan veröffentlicht. Seit einiger Zeit tut Bill Bass es ihr nach. Eine Hand voll Asche, im Original The Devil’s Bones (ausnahmsweise ist mal der deutsche Titel zurückhaltender und dadurch zutreffender), ist sein dritter Krimi gemeinsam mit Jon Jefferson.
Ein Teufelskerl
Held dieser Krimireihe ist der – surprise, surprise – forensische Anthropologe Dr. Bill Brockton, der Gründer der Body Farm der University of Tennessee in Knoxville (!). In diesem dritten Buch geht er verschiedenen Dingen nach: Zum einen untersucht Dr. B. das unterschiedliche Verhalten von frischen und älteren Leichen bei ihrer Verbrennung – dies hilft bei der Überführung eines Mörders; zum anderen geht er für seinen Anwalt der Frage nach, ob dessen Urne tatsächlich die Asche von Tante Jean enthält – und deckt dabei einen riesigen und sehr unappetitlichen Skandal auf; und zum dritten ist es seinem Erzrivalen Dr. Garland Hamilton gelungen, aus der Untersuchungshaft zu fliehen. Nun muss Dr. Brockton um sein Leben zittern.
Der Garland-Hamilton-Strang ist ein Nachklapp zum Vorgängerbuch Bis auf die Knochen (Flesh and bone, 2007): Dort hatte Hamilton aus Hass und Neid Dr. Brocktons Freundin getötet, um seinem Gegner schmerzhaft wehzutun. Er lenkte gar den Verdacht auf Brockton. Das ist nun kein Spoiler, denn das wird in „Eine Hand voll Asche“ derart oft erzählt, dass es sich um kein Geheimnis mehr handeln kann. Es gibt zusätzlich zahlreiche Rückbezüge auf Dr. B.s gute Taten im ersten Buch der Reihe, Anatomie der Schuld (Carved in bone, 2006).
Überhaupt wirkt das Buch wie eine ausführliche Schilderung der tragischen Heldengeschichte des in die Jahre gekommenen Professors für Anthropologie, der zwar ordentlich Schlag bei den Frauen hat, aber einsam seiner verlorenen Liebe nachtrauert. Doch trotz seines schweren Verlustes ist der noch recht agile Wissenschaftler ein guter Kumpel, immer für ein Späßchen zu haben (damit man die halbironischen Bemerkungen nicht für bare Münze nimmt, erwähnen die Autoren sicherheitshalber, dass es sich um Späßchen handelt). Junggeblieben ist er, der Dr. B. Und ein Teufelskerl. Denn seine Augen sind noch scharf genug, um feststellen zu können, dass seine junge, entzückende Forschungsassistentin Miranda Lovelady bei dem Zusammenfügen von zahllosen Knochensplitterchen einen Fehler gemacht hat. (Natürlich ist er so großzügig, sie nicht tadelnd darauf hinzuweisen – aber erst nach einer ausführlichen Prüfung seines Gewissens.)
Rüstig voran
Auf das Alter des Helden ist auch die Erzählweise abgestimmt: Gemächlich geht das Geschehen dahin, detailreich und technikverliebt wird ausführlich berichtet, wie Dr. B. Knochen untersucht und zum Beispiel eine Petroleumlampe entzündet. Auch mit Lebensweisheiten wird nicht gespart: „Ich habe eine Weile gebraucht, um dahin zu kommen (…). Aber, ja, ich meine, man ist, wer man ist, und nicht, was man tut.“
Zur besseren Orientierung sind die Figuren eindeutig gezeichnet: Mrs. Lovelady ist nicht nur bezaubernd, sondern auch blitzgescheit, die Cops sind echte Männer, treuherzig und vertrauenserweckend, und auch der reiche Anwalt ist unter seiner schmierigen Oberfläche ein gefühlvoller Kerl, der sich mehr und mehr für das Gute engagiert (dank des guten Einflusses von Dr. B.). Die Bösen sind dagegen richtiggehende Kotzbrocken, Hamilton gar ein „menschliches Stück Scheiße“ (*huch).
Das Buch ist trotz seiner Skelettlastigkeit nicht knochentrocken geschrieben. Im Gegenteil, es bleibt der Eindruck von Klebrigkeit zurück: Klischeestarrende Figuren streben in praller Selbstzufriedenheit nach Recht und Ordnung. Auch die Rückbezüge auf die vorherigen Bücher haben ihr Gutes: Hat man Eine Hand voll Asche gelesen, kennt man auch die vorangehenden Krimis. Und nicht nur das: Die Kommenden lassen sich ebenso antizipieren. Das spart Zeit – Zeit für bessere, spannendere, lebendigere, differenziertere Krimis.
„Ich betrachte es als Sieg der Tugend über das Böse“, sagte ich, und er lächelte.