Blutige Nächte der Entscheidung

Während in den französischen Vorstädten blutige Kämpfe toben, die schon mehrere hundert Todesopfer gefordert haben, verhandelt die rechtsextreme Partei Bloc Patriotique, kurz: der Block, über eine Regierungsbeteiligung. Eine Nacht der Entscheidung, die aus zwei Perspektiven geschildert wird: Für die geforderten zehn Ministerposten muss sich der Block von Stanko, dem Chef seines paramilitärischen Sicherheitsdienstes, trennen, sprich: ihn töten. Während Stanko auf der Flucht vor den Männern ist, die er selbst ausgebildet hat – geschildert aus der Ich-Perspektive –, wartet am anderen Ende der Stadt Antoine, der Ehemann der Parteichefin und ein guter Freund Stankos, auf das Ergebnis der Verhandlungen und der Menschenjagd – erzählt in der ungewöhnlichen Ansprache eines »Du«.

Jérôme Leroys Roman »Der Block« spielt eindeutig auf den französischen Front National an, ist aber alles andere als ein Schlüsselroman. Die Auseinandersetzung mit der extremen Rechten ist sehr viel grundsätzlicher und exemplarischer angelegt. Es gibt zwar deutliche Überschneidungen zwischen den Fakten und der Fiktion, die bis in die Äußerungen der Romanfiguren hineinreichen, doch ist der Roman zeitloser und archetypischer gefasst, sodass er auch auf das rechtsextreme Lager anderer Länder wie beispielsweise Deutschland übertragen werden kann.

Leroy schildert ohne Ironie oder Überheblichkeit, ohne moralischen Zeigefinger das in sich geschlossene Weltbild der extremen Rechten mit seinen inhärenten Widersprüchen, die internen Manipulationen und Machtkämpfe, die komplexen Beziehungen von Organisationen der rechten Szene untereinander und lässt auch die Faszination der Gewalt spürbar werden, die beide Protagonisten prägt. Die Nähe zu den Figuren, die durch die gewählten Erzählperspektiven und den differenzierten Blick auf ihre Motive entsteht, ist beim Lesen unheimlich und verstörend – und nicht minder faszinierend. Ein großer und wichtiger Roman, nicht nur angesichts der europaweit erstarkenden neuen Rechten und den anstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich.

Dunkle Abgründe

»Das, was Ich glaubte zu sein, aber nie gewesen war, verging.« Die Welt einer jungen Frau, deren Name nicht genannt wird, zerbricht, und in ihr wächst ein Plan: zur Mörderin zu werden. Diesen Plan führt sie durch, methodisch, konsequent, sehr bewusst, ohne Mitleid, weder für sich selbst noch für ihre Opfer.

Warum sich diese Frau dafür entscheidet, erzählt Marina Heib in ihrem Krimi »Drei Meter unter Null«. Aus der Ich-Perspektive schildert die Namenlose, wie sie ihre Opfer aufspürt, beobachtet und tötet – und in Rückblenden berichtet sie, was geschehen ist, dass aus einer erfolgreichen Soft- wareexpertin eine Wölfin wurde.

Die Geschichte an sich ist nicht wirklich neu, doch ungewöhnlich und verstörend ist, was Marina Heib daraus macht und wie sie sie erzählt: Ihre Protagonistin ist kein Opfer, kein Fräulein in Not, das mit einer gefährlichen Situation konfrontiert wird. Diese Frau entscheidet sich bewusst dafür, die Grenze zu überschreiten und zum Tier zu werden. Sie stellt ihre Entscheidung nicht infrage, zweifelt nie am Sinn ihrer Morde – was sie jedoch bewegt, ist die Frage, was das Morden aus ihr als Mensch macht. Marina Heibs »Drei Meter unter Null« ist ein Abstieg in menschliche Abgründe. Sprachlich knapp, klar und reduziert, nie beim Leser um Verständnis buhlend, schildert Heib ungeschönt die Konsequenzen von Gewalt und was Gewalt mit Menschen macht: mit Tätern wie mit Opfern.

Zwischen den Mafia-Fronten

Auch Crissa Stone, die Protagonistin der Kriminalromane von Wallace Stroby, hat sich bewusst für ihren Weg entschieden: Mit »Geld ist nicht genug« legt Stroby den zweiten Band um seine Berufsverbrecherin vor. Crissa Stone ist Profi, präzise, effizient, unsentimental, spezialisiert auf Überfälle; sie schreckt auch nicht davor zurück, zu töten, wenn es unbedingt sein muss. Und mitunter ist es unausweichlich. So auch diesmal: Um an das gut versteckte Geld eines Mafia-Bosses aus einem lange zurückliegenden Überfall zu kommen, gerät Crissa mit einem äußerst unangenehmen Gangster aneinander, einem skrupellosen Überbleibsel aus alten Mafia-Zeiten – einem sehr viel gefährlicheren Gegner als die Polizei.

Wallace Strobys Roman greift einen alten Fall auf, der in seinen Konsequenzen Bücher wie auch Filme – unter anderem Martin Scorseses »GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia« –inspiriert hat: den Überfall auf den Frachtterminal der Deutschen Lufthansa am New Yorker Flughafen JFK im Jahr 1978. Damals wurden Geld und Juwelen im Wert von mehreren Millionen US-Dollar gestohlen, nach heutigem Wert rund 20 Millionen Euro; bis heute ist der größte Teil der Beute unauffindbar. Es war der größte Bankraub der US-amerikanischen Geschichte, wie Übersetzer Alf Mayer im Nachwort darlegt.

Stroby erzählt klar und kraftvoll, seine Figur Crissa Stone überzeugt in ihrem selbstbewussten und professionellen Auftritt. Markige Sprüche überlässt sie anderen, ihr geht es um die effiziente Abwicklung eines Raubs. Dabei versucht sie, möglichst fair und anständig zu bleiben – kein einfacher Weg, der mitunter zusätzliche Probleme heraufbeschwört. Gerade dies im Zusammenspiel mit ihrem selbstsicheren Auftritt macht die Figur der Crissa Stone so besonders innerhalb der Kriminalliteratur.

Kirsten Reimers

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Jérôme Leroy: Der Block
(Le bloc, 2011)
Aus dem Französischen von Cornelia Wend
Edition Nautilus 2017
kart., 319 Seiten, 19,90
ISBN 978-3-96054-037-3
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Marina Heib: Drei Meter unter Null
Heyne Encore 2017
geb., 249 Seiten, 19,99 Euro
ISBN 978-3-453-27111-1
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Wallace Stroby: Geld ist nicht genug
(Kings of Midnight, 2012)
Aus dem Englischen von Alf Mayer
Pendragon 2017
kart., 334 Seiten, 17 Euro
ISBN 978-3-86532-577-8
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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der
Frankfurter Neuen Presse