Blutige Projekte und dunkle Intrigen

Im Jahr 1869 wird in einem Dörfchen an der schottischen Nordwestküste ein brutaler Dreifachmord begangen. Der Täter ist der 17-jährige Roderick Macrae, der Sohn eines kleinen, gequälten Pächters. Roderick ist geständig, Tat und Täter sind eindeutig – es bleibt die Frage nach dem Motiv: War es zum Schutz der Familie oder aus nie- deren Motiven?

Der Schotte Graeme Macrae Brunet legt mit »Sein blutiges Projekt« ein faszinierendes literarisches Puzzle vor, das nicht nur gut geschrieben, sondern auch spannend und geschickt konstruiert ist. Burnet spielt mit der Frage, was authentisch und was inszeniert, was Fiktion und was faktisch ist. Deshalb erzählt er nicht schlicht chronologisch eine Geschichte, sondern legt (fiktive) Dokumente vor, und überlässt es dem Leser und der Leserin, sich ein eigenes Bild zu machen.

Dieses facettenreiche Spiel um Konstruktion und Wirklichkeit schaffte es zu Recht auf die Shortlist des renommierten Man-Booker-Preises 2016. Ein ungewöhnlicher und intelligenter Roman, der die Möglichkeiten von Kriminalliteratur gekonnt auslotet.

Wuchtvolles Rachedrama

Mit »Nichts bleibt« legt der Romancier und Lyriker Willi Achten seinen ersten Kriminalroman vor: Der Kriegsfotograf Franz Mathys hat sich mit Vater und Sohn auf einen abgeschiedenen Hof zurückgezogen. Verfolgt von Erinnerungen an Kriegserlebnisse und gequält von

Schuldgefühlen kommt er jedoch auch hier nicht zur Ruhe. Als der Vater von zwei Männern lebensbedrohend zusammengeschlagen wird, gerät Mathys vollends aus dem Gleichgewicht. Gemeinsam mit einem Freund begibt er sich auf die Suche nach den Tätern. Lebte er zuvor schon am Rande der Gesellschaft, lässt er im Laufe dieser Suche die Zivilisation in mehrfacher Hinsicht hinter sich.

»Nichts bleibt« erzählt mit großer Wucht von Verlust und Rache in fast schon archaischen Dimensionen. Willi Achten gelingt dies, ohne auf viel Blut oder Action zurückgreifen zu müssen. Sprachlich sehr präzise und mit intensiven Bildern versehen, ist auch dieser Roman kein Krimi nach vorhersehbarem Muster, sondern das Psychogramm eines Mannes, der zu lange in den Abgrund der Gewalt gesehen hat, um sich davon befreien zu können.

Zwischen Angst und Aufbruch

»Miss Terry« heißt eigentlich Nita Tehri und ist ein unbescholtene Grundschullehrerin Anfang zwanzig. Als in einem Müllcontainer in der Nähe ihrer Wohnung die Leiche eines dunkelhäutigen Babys gefunden wird, scheint es für die Polizei und einen Großteil der Nachbarn klar zu sein: Nita muss die Mutter sein, schließlich ist sie die einzige mit dunkler Hautfarbe in der Straße, und hat sie nicht in den letzten Monaten deutlich abgenommen? Das wohlgeordnete Leben der jungen Frau gerät vollkommen aus den Fugen.

Liza Cody erzählt in ihrem Roman »Miss Terry« von bewusstem und unbewusstem Rassismus, von Hass, Sexismus und Diffamierung, aber auch von Freundschaft und Mut. Leise, unaufdringlich und mit herrlich untergründigem Humor schildert sie gleichzeitig einen Aufbruch und eine Befreiung aus der Angst, denn wie Nita Tehri feststellen muss: »Wenn man nicht wegrennt, jagen sie einen auch nicht.« Kein einfacher Weg, aber ein notwendiger, der ein Umdenken erfordert. Ein kleiner, wirklich großer Kriminalroman jenseits ausgetretener Pfade.

Kirsten Reimers

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Graeme Macrae Burnet: Sein blutiges Projekt
Aus dem Englischen von Claudia Feldmann
Europa Verlag 2017
Broschur, 343 Seiten, 17,90 Euro
ISBN 978-3-95890-055-4
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Willi Achten: Nichts bleibt
Pendragon 2017
kart., 374 Seiten, 17 Euro
ISBN 978-3-86532-568-6
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Liza Cody: Miss Terry
(Miss Terry, 2012)
Aus dem Englischen von Grundmann & Laudan
Ariadne/Argument 2016
geb., 286 Seiten, 17 Euro
ISBN 978-3-86754-219-7
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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der
Frankfurter Neuen Presse