Archiv für den Monat: November 2014

Katastrophen und ihre verheerenden Folgen

1929, im Jahr der Weltwirtschaftskrise, kommen in der Kleinstadt West Table in Missouri zweiundvierzig Menschen durch eine Explosion bei einer Tanzveranstaltung zu Tode. Unter ihnen Ruby, die Schwester von Alma DeGeer Dunahew. Ihr Enkel ist der Erzähler von Daniel Woodrells neuem Roman »In Almas Augen« – ihm vertraut sie nach rund vierzig Jahren die Hintergründe der Katastrophe an.

Das Unglück bildet das Epizentrum der Geschichte, die Alma erzählt, und sie ist das Epizentrum der Stadt, bis in die Gegenwart traumatisierend und prägend. Eingestreut in Almas Erzählungen sind kurze Lebensläufe von Menschen, die im Feuer zu Tode gekommen sind.

Daniel Woodrell – zu seinen hierzulande bekanntesten Romanen zählen »Der Tod von Sweet Mister« und »Winters Knochen« (2010 auch verfilmt) sowie die Sammlung »Im Süden« (die Bajou-Trilogie) – erzählt nicht nur die Geschichte Almas und ihrer Familie, anhand der Einzelschicksale schildert er ebenfalls die Geschichte der Kleinstadt West Table und wie die Ereignisse der Weltgeschichte – Weltwirtschaftskrise, Zweiter Weltkrieg, Koreakrieg – Spuren hinterlassen: in der Stadt, bei den einzelnen Menschen. Darin eingebettet ist der zähe Kampf gegen Armut und Alkoholismus, der verzweifelte Versuch, irgendwie zu überleben, der Schmerz des Verlusts, die Begrenzungen durch gesellschaftliche Konventionen. Die Verflechtung persönlichem und gemeinschaftlichem Schicksal, der genaue Blick ohne Verklärung oder Sentimentalität zeigen erneut, was für ein grandioser Erzähler Woodrell ist.

Rabenschwarze Zukunft

New York in nicht allzu ferner Zukunft: Eine Reihe von Anschlägen und eine schmutzige, also mit radioaktivem Material bestückte Bombe haben die Innenstadt von New York veröden lassen. Hier wohnt kaum noch jemand – und die wenigen, die geblieben sind, ziehen sich möglichst in die »Limnosphäre« zurück: Eine virtuelle Welt, in die sich jeder einklinken kann – und je mehr Geld man mitbringt, umso komfortabler und individueller wird die zweite Wirklichkeit.

Die echte Welt hingegen hat sich nicht groß verändert, sie ist zwar im Raum New York etwas ärmer, verwilderter und roher, aber wie eh und je prägen Gier, Hass und Gewalt das Miteinander. Der Protagonist, ein ehemaliger Müllmann, Spademan genannt, der die Tonne gegen das Teppichmesser getauscht hat, bekommt dies nur allzu deutlich mit: Er lebt davon in seinem neuen Betätigungsfeld als Auftragskiller. Als er die Tochter eines bekannten Fernsehpredigers ausschalten soll, begegnet allerdings auch ihm eine neue Dimension an Verkommenheit.

Adam Sternberghs Debütkrimi »Spademan« ist eine dreckige, kleine Dystopie. Handwerklich nicht immer durchdacht, aber munter mit der richtigen Dosis Zynismus geschrieben und insgesamt in sich stimmig.

Hoher Unterhaltungswert, pfiffige Intelligenz

Im Januar 2012 starb der britische Krimischriftsteller Reginald Hill. Der Verlag DroemerKnaur hat nun einen bis dahin noch nicht übersetzten Krimi von ihm veröffentlicht: »Mord heilt alle Wunden« aus der Reihe um Superintendent Andrew Dalziel und DCI Peter Pascoe. Dalziel erholt sich im aufstrebenden Seebad Sandytown von den Verwundungen, die er bei einem Bombenanschlag davongetragen hat. In Sandytown soll ein großes Gesundheitszentrum entstehen – aber nicht alle sind damit einverstanden. Schon bald gibt es ein erstes Mordopfer, ein zweites folgt wenig später.

»Mord heilt alle Wunden« ist ein pfiffiger Provinzkrimi ohne Provinz und Landhaus: sehr britisch, an keiner Stelle betulich, hintersinnig, witzig und raubeinig, angereichert mit schrägen Typen, versehen mit einer wendungsreichen Story. Ein Krimi mit hohem Unterhaltungswert und großer Intelligenz. Er tröstet ein wenig über den Tod Reginald Hills hinweg und zeigt gleichzeitig erneut, was für eine große Lücke er hinterlassen hat.

Kirsten Reimers

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Daniel Woodrell: In Almas Augen
(The Maid’s Version, 2013)
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Liebeskind 2014
geb., 188 Seiten, 16,90 Euro
ISBN 978-3-95438-021-3
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Adam Sternbergh: Spademan
(Shovel Ready, 2014)
Aus dem Englischen von Alexander Wagner
Heyne Hardcore 2014
brosch., 302 Seiten, 14,99 Euro
ISBN 978-3-453-26888-3
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Reginald Hill: Der Tod heilt alle Wunden
(A Cure for All Diseases, 2008)
Aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet
DroemerKnaur 2014
geb., 636 Seiten, 22,99 Euro
ISBN 978-3-426-19858-2
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