Archiv für den Monat: November 2013

Gefangen im Filz aus Macht, Geld und Verbrechen

Grandiose Kriminalromane von Dominique Manotti, Mike Nicol und Daniel Woodrell

Paris im Sommer 1944. Während an den Stränden der Normandie bereits die Alliierten landen, versuchen Kollaborateure und deutsche Besatzer, in der französischen Hauptstadt so viel an Vermögenswerten zusammenzuraffen wie irgend möglich. Rücksichtslos wüten SS und Gestapo, besonders deren französische Mitglieder. Etwas hilflos zwischen allen Fronten: Inspektor Domecq, gaullistischer Agent, zur Tarnung Polizist bei der Sitte.

Dominique Manotti beschreibt in ihren Büchern die Verflechtung von Wirtschaft, Politik und Verbrechen, so auch in »Das schwarze Korps«, das schnell und schonungslos, messerscharf in Ausdruck und Darstellung die letzten Wochen der deutschen Besatzung von Paris schildert. Da passt jedes Wort, jede Geste, jede Assoziation. Ein Politkrimi auf enorm hohem Niveau.

Vom Racheengel verfolgt

Um die Verflechtungen von Politik, Ökonomie und Kriminalität geht es auch in »Killer Country«, dem zweiten Band der südafrikanischen »Rache-Trilogie« von Mike Nicol. Die beiden ehemaligen Waffenhändler Mace Bishop und Pylon Buso versuchen, in Kapstadt ein halbwegs bürgerliches Leben zu führen rund zwanzig Jahre nach dem Ende der Apartheid.

Doch so etwas kostet Geld. Geld, das sorgfältig verborgen auf Schwarzgeldkonten auf den Cayman-Inseln lagert. Um dort heran zu kommen, lassen sich Bishop und Buso auf dubiose Immobiliengeschäfte ein, die nicht nur anders verlaufen als geplant, sondern auch ihre Nemesis auf den Plan rufen, die Anwältin Shemina February, die aus nachvollziehbaren Gründen Mace Bishop Rache geschworen hat.

War schon »Payback«, der erste Teil der Trilogie, schwer beeindruckend, überzeugt dieser zweite Band mit hohem Tempo, souveräner Lakonie und ausgefeilter Konstruktion noch mehr.

Eine Kampfansage, ein Anschlag

Daniel Woodrell ist in Deutschland erst richtig durch seinen Roman »Winters Knochen« und dessen Verfilmung bekannt geworden. Mit »Im Süden« liegen nun die frühen Kriminalromane »Cajun Blues«, »Der Boss« (Erstveröffentlichung unter dem Titel »Zoff für die Bosse«) und »John X« erstmals zusammengefasst als »Bayou-Trilogie« in einem Buch vor, ergänzt durch ein Vorwort des wunderbaren Krimi- und Drehbuchautors Frank Göhre.

Die kargen, harten und lakonischen Romane spielen im fiktiven St. Bruno, einer mittelgroßen Stadt am Rande der Louisiana-Sümpfe, gefangen im Filz von Geld, Macht und Verbrechen. Sie sind etwas stärker Genrekonventionen verpflichtet als spätere Romane Woodrells, doch spielen sie auch gleichzeitig mit diesen Regeln – oder, wie Frank Göhre es so treffend im Vorwort sagt: Daniel Woodrells Romane sind »eine Kampfansage an das Establishment, an all die Dummschwätzer und Schönredner, ein Anschlag auf Ignoranz und Mittelmaß«.

Kirsten Reimers

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Dominique Manotti: Das schwarze Korps
Aus dem Französischen von Andrea Stephani
Ariadne im Argument Verlag 2012
geb., 280 Seiten, 17,90 Euro
ISBN 978-3-86754-206-7
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

Mike Nicol: Killer Country
Aus dem Englischen von Mechthild Barth
btb 2012
Tb., 508 Seiten, 14,99 Euro
ISBN 978-3-442-75381-9
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Daniel Woodrell: Im Süden
Die Bayou-Trilogie
Aus dem Englischen von Christine Strüh, Adelheid Zöfel, Teja Schwaner
Mit einem Vorwort von Frank Göhre
Heyne 2012
Tb., 680 Seiten, 10,99 Euro
ISBN 978-3-453-43670-1
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in:
Frankfurter Neue Presse


Rache, kalt serviert

Neue Kriminalromane von Reginald Hill, Helon Habila und James Sallis

Reginald Hill legt mit »Rache verjährt nicht« einen fast altmodischen, aber hervorragenden Racheroman vor: Wolf Hadda, aufgestiegen vom mittellosen Sohn der Unterschicht zum reichen Hedgefondsmanager, eingeheiratet in die Upper Class, stürzt während der Finanzkrise über unsaubere Geschäfte, dazu kommt eine Anklage wegen Kinder- pornographie. Er wird verurteilt, beharrt aber stets darauf, dass er unschuldig sei und hereingelegt wurde. Nach sechs Jahren Haft kommt er frei und hat nur noch ein Ziel: herausfinden, wer hinter der Verschwörung steckt, um Rache zu nehmen.

»Rache verjährt nicht« ist der letzte Roman des Anfang 2012 gestorbenen Krimiautors, der hierzulande eher ein Geheimtipp blieb, während er in seiner Heimat Großbritannien ein gefeierter Bestsellerautor war. Sein letzer Krimi ist elegant, kraftvoll, raumgreifend und gleichzeitig pointiert erzählt, angenehm britisch, mit wenigen, aber gekonnt ausdifferenzierten Figuren, immer über den Tellerrand der persönlichen Motive hinausblickend und das große Ganze einbeziehend.

Ins Herz der Finsternis

Eigentlich keine große Sache, sondern fast so etwas wie Alltag: In Port Harcourt, Nigeria, wird die Frau eines britischen Ölingenieurs entführt. Vermutlich steckt dahinter eine Rebellengruppe, die gegen die Ölgesellschaften kämpft, die im Nigerdelta und vor der Küste nach Öl bohren. Ungewöhnlich ist allerdings, dass keine Lösegeldforderung eintrifft. Der junge Journalist Rufus und sein Vorbild, der gealterte Starreporter Zaq, machen sich daraufhin auf die Suche nach der Britin.

Ihre Reise führt ins ölverseuchte Flussdelta: Ölschlamm, stets brennende Abgas fackeln, Dorfgemein schaften, die ihr Land verkaufen, um der Armut zu entkommen und sich damit ihre Lebensgrundlage nehmen, weil Land und Wasser vergiftet werden, aufgerieben zwischen den Rebellengruppen und dem Militär. Habila schildert dies in »Öl auf Wasser« ohne moralischen Zeigefinger, ohne vordergründige Anklage, zeigt aber eindeutig, wie Lebenswelt und Gesellschaft zerstört werden. Er verbindet dabei Thrillerelemente mit denen einer Liebesgeschichte, eines Entwicklungs- sowie eines Umweltromans. Bei aller Wirklichkeitsnähe hat der Roman etwas Poetisches und Surreales, was ihn umso eindringlicher macht.

In die Tiefen des Raums

2007 erschien die deutsche Übersetzung von James Sallis’ Roman »Drive« und wurde nicht nur an die Spitze der KrimiWelt-Bestenliste des Jahre 2007 gewählt, sondern auch mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Anfang 2012 lief die Verfilmung des Romans erfolgreich hierzulande in den Kinos – und nun liegt mit »Driver 2« die Fortsetzung vor. Die Kenntnis des ersten Romans ist nicht unbedingt notwendig (sie schadet aber auch nicht). Hauptfigur ist erneut der namenlose ehemaliger Stuntfahrer, der nun vielleicht Paul West heißt und von seiner Vergangenheit eingeholt wird. James Sallis schreibt ebenso poetisch wie lakonisch, so verrätselt wie hart, nirgendwo ein Wort zu viel. Ein Noir, ein Road-Thriller – schnell, sehr eigen und sehr gut.

Kirsten Reimers

Zum Bestellen bei eBook.de einfach auf den Titel klicken:

Reginald Hill: Rache verjährt nicht
(The Woodcutter, 2010)
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel
und Klaus Timmermann
Suhrkamp 2012
Hc, 684 Seiten, 19,95 Euro
ISBN 978-3-518-46390-1
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

Helon Habila: Öl auf Wasser
(Oil on Water, 2010)
Aus dem Englischen von Thomas Brückner
Verlag Das Wunderhorn 2012
Hc, 231 Seiten, 24,80
ISBN 978-3-88423-391-7
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

James Sallis: Driver 2
(Driven, 2012)
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger
und Kathrin Bielfeldt
Liebeskind 2012
Hc, 156 Seiten, 16,90 Euro
ISBN 978-3-935890-99-1

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in:
Frankfurter Neue Presse