Archiv für den Monat: Mai 2012

Mörderische Intrigen und gefährliche Träume

Neue Bücher von Anne Chaplet, Bernhard Jaumann und Megan Abbott

Auf einer Dienstreise der Frankfurter Polizei nach Peru stößt Hauptkommissar Giorgio DeLange auf einen dunklen Fleck auf der weißen Weste des hochrangigen hessischen Politikers Karl- Heinz Neumann, seit längerem DeLanges Lieblingsfeind. Wieder zurück in Frankfurt lässt der Polizist gegenüber dem Parteimann eine unbedachte Bemerkung fallen und wird fortan gemobbt und eines Nachts sogar brutal zusammengeschlagen. Zeitgleich wird im hessischen Dörfchen Klein-Roda ein Toter mit eingeschlagenem Kopf gefunden – und ganz offenbar hängt dieser Mord mit einem alten Fall zusammen, in den vor rund vierzig Jahren eben jener Politiker verwickelt war.

Anne Chaplet – dies ist das Pseudonym der Frankfurter Journalistin und Sachbuchautorin Cora Stephan – greift in ihrem aktuellen Krimi »Erleuchtung« einen Faden aus ihrem Roman »Schrei nach Stille« aus dem Jahr 2008 auf und führt ihn zu einem Ende. Der Plot ist leider etwas weit hergeholt, und wer das Vorgängerbuch nicht kennt, hat durch die häufigen Verweise auf den alten Fall mitunter das Gefühl, etwas Wesentliches nicht zu erfassen. Doch der Kriminalroman ist in sich handwerklich sehr gelungen, weil Anne Chaplet die Handlung und ihre Motivation äußerst überzeugend in den Figuren verankern kann. Zudem schafft sie es, große zeitgeschichtliche Linien in Individuen engzuführen.

Vielschichtig und atmosphärisch dicht

Auch Bernhard Jaumann verknüpft gekonnt Gesellschaftliches mit Persönlichem: Auf einer Farm in Namibia wird ein deutschstämmiger Farmer erschossen, sein Sohn entführt. Was zunächst wie ein fehlgeschlagener Raubüberfall wirkt, nimmt bald eine politische Dimension ein. Für die Kriminalinspektorin Clemencia Garises, die Jaumann in seinem Roman »Steinland« zum zweiten Male ermitteln lässt, bekommt der Fall eine zusätzliche Brisanz, als sie erkennen muss, dass ihr Bruder offenbar in das Verbrechen verwickelt ist.

Der Autor hat selbst längere Zeit in Namibia gelebt und verschließt auch diesmal – wie schon in seinem preisgekrönten Roman »Die Stunde des Schakals« – nicht die Augen vor der allgegenwärtigen Kor- ruption in Namibia, vor den großen sozialen Gegensätzen, der massiven Kriminalität und dem bei weitem nicht nur unter- schwelligen Rassismus. Dank komplexer Charaktere, einem klugen, sensiblen Blick und dem Verzicht auf einfache Antworten ist Jaumanns neuer Roman atmosphärisch dicht, vielschichtig und lebendig.

Sensibel und verstörend

Auf eindimensionale Erklärungen verzichtet auch Megan Abbott in ihrem Roman »Das Ende der Unschuld«. Er ist konsequent aus der Sicht der 13-jährigen Lizzie geschrieben. Als ihre beste Freundin Evie verschwindet, bricht für Lizzie eine Welt zusammen. Bislang hatte sie geglaubt, Evie in- und auswendig zu kennen. Nun muss sie sich eingestehen, dass ihre Freundschaft sich längst verändert hatte.

»Das Ende der Unschuld« erzählt von Desillusionierungen und Verlusten. Zwar kehrt Evie schließlich zurück – doch mit ihrem Verschwinden hat sich alles verändert, nicht nur die Freundschaft zwischen den Mädchen, sondern die Mädchen selbst. Lizzie begreift, dass Liebe nichts mit ihren romantisch-verklärten Kleinmädchenträumen zu tun hat, sondern sehr komplex und schmerzhaft sein kann. Und dass die Dinge oft nicht so sind, wie sie scheinen. Sie selbst hat – wie sie sich eingestehen muss – ihre Erinnerungen schöngebogen und verfälscht – ähnlich, wie sie die Beweise von Evies Entführung manipuliert hat.

So naiv Lizzies Weltsicht zunächst auch sein mag – der Roman ist alles andere romantisch-schlicht. Abbott wirft einen feinfühligen, aber ungeschönten Blick auf Sehnsüchte und Fixierungen junger Mädchen und erwachsener Männer, der verstört und beunruhigt.

Kirsten Reimers

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Anne Chaplet: Erleuchtung
Ullstein Verlag 2012
geb., 319 Seiten, 19,99 Euro
ISBN 978-3-471-77283-6
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Bernhard Jaumann: Steinland
Kindler Verlag 2012
geb., 320 Seiten, 19,95 Euro
ISBN 978-3-463-40570-4
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Megan Abbott: Das Ende der Unschuld
Aus dem Amerikanischen von Isabel Bogdan
KiWi 2012
geb., 287 Seiten, 17,99 Euro
ISBN 978-3-462-04390-7
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

 Diese Besprechung ist zuerst erschienen in der Frankfurter Neue Presse.