Von kalten Morden und skurrilen Ermittlern

Spannung auf hohem Niveau

Katherine McDonald arbeitet in der New Yorker Bronx als Behördenanwältin bei der Administration for Children’s Services (ACS), der Kinder- und Jugendschutzbehörde. Als mehrere halbwüchsige Jungen vergewaltigt und ermordet werden, wird sie von der Staatsanwaltschaft als Beraterin hinzugezogen, um bei der Suche nach dem Mörder zu helfen. Wie Katherine feststellen muss, war das letzte Opfer einer ihrer Schützlinge.

Die Mitarbeiter der Jugendschutzbehörde, die Polizisten, die Sozialarbeiter – in Cynthia Webbs Kriminalroman »Die Farbe der Leere« sind sie weder Helden noch kalte Prinzipienreiter, sondern Menschen, die sich zwischen Engagement, Hilflosigkeit und Überforderung aufreiben. Webb gelingt es, ein überzeugendes Gleichgewicht zu halten zwischen Betroffenheit und Distanz: Die Erzählhaltung ist beteiligt, aber nicht hysterisch, desillusioniert, aber nicht zynisch. Ein bitter realistischer Krimi, der unter die Haut geht.

Blinde sehen mehr

Zweifellos berührend ist auch »Die Tat« von Friedrich Ani. Es ist eines der beeindruckendsten Bücher des Münchner Autors und das aktuellste um den erblindeten Exkommissar Jonas Vogel. Dieser wird, weil er ein ausgeprägtes Gespür für die Nuancen in Tonfällen hat, von den ehemaligen Kollegen »der Seher« genannt. Zwar ist er aufgrund seiner Erblindung vom Dienst suspendiert, doch schaltet er sich auch weiterhin in Ermittlungen ein – so auch in die Suche nach demjenigen, der im Laufe der letzten Monate in München drei Menschen erdrosselt hat. Die Befragung der Zeugen führt nicht nur in die verlorene Einsamkeit der Familien der Opfer, sondern macht auch die Kälte in Jonas Vogels eigener Welt offenkundig.

Ani ist einer der ganz wenigen deutschen Krimiautoren, die keinerlei Scheu vor ihren Figuren haben: Er blickt tief in die Menschen hinein und macht ihre Einsamkeit und ihre Hilflosigkeit spürbar, ihr Scheitern an sich und den anderen, ihr Verzweifeln an der Lieblosigkeit und der Mühseligkeit des Lebens. Mit seinen intelligenten Romanen leuchtet Ani familiäre und gesellschaftliche Räume aus, die fremd erscheinen und doch so nah sind.

Skurril-charmante Heilige

Eine der bekanntesten Krimiautorinnen Frankreichs ist Fred Vargas. Sie hat nicht nur die Romane um den intuitiven Wolkenschaufler Kommissar Adamsberg geschrieben, sondern auch die sogenannten Kehlweiler-Krimis: In ihnen klären drei Historiker – Mathias, der Paläontologe, Marc, der Mediävist, und Lucien, der Neuzeitler, genannt »die drei Heiligen« – mithilfe des ehemaligen Polizeiinspektors Louis Kehlweiler Verbrechen in Paris auf.

Die drei Krimis »Die schöne Diva von Saint Jacques«, »Das Orakel von Port Nicolas« und »Der untröstliche Witwer von Montparnasse« liegen nun gesammelt in einem Band unter dem Titel »Die drei Evangelisten« vor – wie man es von Fred Vargas kennt: gewohnt intelligent, skurril und sehr charmant.

Kirsten Reimers

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Cynthia Webb: Die Farbe der Leere
Aus dem Englischen von
B. Szelinksi und Else Laudan
Ariadne im Argument Verlag 2011
Tb., 250 Seiten, 12,99 Euro
ISBN 978-3-86754-187-9

Friedrich Ani: Die Tat
dtv 2010
Tb., 191 Seiten, 7,95 Euro
ISBN 978-3-423-21198-7

Fred Vargas: Die drei Evangelisten
Aus dem Französischen von Tobias Scheffel
Aufbau Verlag 2011
geb., 722 Seiten, 19,99 Euro
ISBN 978-3-351-03359-0

Diese Besprechung ist erstmals erschienen
in der Frankfurter Neuen Presse.