Männer fürs Grobe

Roy Cady ist in New Orleans der Mann fürs Grobe für einen der örtlichen Gangsterbosse: Eintreiber, Schläger, Killer. Am gleichen Tag, an dessen Morgen er erfährt, dass er Lungenkrebs hat, gerät er abends bei einem Auftrag in eine Falle. Der totkranke Mann überlebt und rettet zudem der jungen Prostituierten Rocky das Leben.

Gemeinsam fliehen sie vor den Hintermännern nach Galveston, Texas. Unterwegs sammeln sie Tiffany, Rockys drei- jährige Tochter, ein. Zunächst widerwillig, dann mit wachsender Verbundenheit kümmert sich Roy um die beiden Mädchen und versucht in einem letzten Coup, Geld zu beschaffen, damit sie die Chance auf einen Start in ein besseres Leben erhalten. Doch als alles gut zu werden scheint, holt die Vergangenheit sie ein.

Zerstörte Existenzen in einer zerstören Umwelt: Nic Pizzolattos (Drehbuchautor der TV-Serie »True Detective«) Romandebüt zeigt Menschen, die an ihrem Leben zerbrochen sind und keine Chance auf Heilung haben. In großer Erbarmungslosigkeit und großer Sensibilität beschreibt er Schrecken, aber auch Schönheit innerer wie äußerer Verwüstung. Das ist beunruhigend, manchmal nah am Kitsch, und vor allem sehr beeindruckend.

Sinnstiftende Gewalt

Okanogan County im US-Bundesstaat Washington Anfang der dreißiger Jahre: Während im Columbia River die Grand-Coulee-Talsperre gebaut wird, kommt es zu einer Reihe von brutalen Ritualmorden an Indianern. Die Männer werden nicht einfach nur getötet: Ihre Leichname werden verstümmelt und bizarr hergerichtet – ein Serienmörder, dem es darum geht, mit seinen Morden aufzufallen, eine Geschichte zu erzählen, einen Mythos zu schaffen.

Der ehemalige Sheriff Russel Strawl wird auf den Täter angesetzt. Strawl, alt, mit zitternden Händen, aber immer noch zäh, war zu seiner Zeit gefürchtet und angstvoll geachtet wegen seiner erbarmungslosen Gewalttätigkeit. Allerdings wurde seine Aggression durch sein Amt kanalisiert, sie diente der Ordnung. Ihm gegenüber steht nun ein Mörder, der seine Aggression nutzt, um Unruhe zu stiften. Ein Täter, dessen Opfer willkürlich gewählt scheinen, dessen Morde aber dennoch nicht sinnlos sind.

Bruce Holberts Debütroman »Einsame Tiere« ist alles andere als ein Serienkillerthriller in Westernkulisse. Mit großer Wortgewalt, Dialogen von subtilen Witz und poetischer Kraft, mit entsetzlichen wie wunderschönen Bildern schafft er einen modernen Western über die Macht der Sprache und die sinnstiftende Gewalt und Schöpfungskraft von Geschichten und Mythen.

Rasante Achterbahnfahrt

Der titelgebende Krake, ein Tattoo auf Curly Watkins rasierter Glatze, ist ein Überbleibsel aus dessen Zeiten als Punk. Heute – in den Nullerjahren, in denen Jim Nisbets »Der Krake auf meinem Kopf« spielt – schlägt sich der Musiker damit durch, dass er in hippen Cafés in San Francisco Gitarre spielt: beliebte Songs von damals, als die Stadt noch das Zentrum eines bunten Gemischs aus Gegenkulturen war. Inzwischen haben Profitgier und Gentrifizierung für allgemeine Stromlinienförmigkeit, Selbstoptimierung und soziale Kälte gesorgt. Die quirlige Aufbruchsstimmung ist längst zum schicken Accessoire und Marketingtrick verkommen.

Weil er für einen Freund die Kaution zusammenkratzen will, lässt sich Curly von Lavinia, einer früheren Freundin, auf einen schnellen, kleinen, fast legalen Job ein. Das ist der Anfang einer ebenso rasanten wie bizarr-witzigen Achterbahnfahrt durch verschiedene Milieus, Bewusstseinszustände, Geistesverfassungen und Verbrechen, denn Lavinia und Curly stolpern über eine Leiche und geraten in die Fänge eines Serienmörders. Dies passiert zwar erst recht spät und nur nimmt einen relativ geringen, dafür aber eindrucksvollen Teil des Buches ein.

Wundervoll intelligent-witzige Dialoge, engagierte Diskussionen über Marx oder Johann Sebastian Bach, Drogenexzesse, ein genau richtig hochgeschraubter Plot, ein beißend-klarer, sarkasmusgesättigter Blick auf das San Francisco der Dotcom-Millionäre und Digitalbienchen: Jim Nisbet kümmert sich nicht um Genrekonventionen, sondern mixt sehr gekonnt und sprachgewaltig einen grandiosen Noir. Ein Buch wie ein Rausch: schnell, hochkomisch, bunt, schräg, erschreckend brutal, voller Zartheit und Liebe und ein wenig melancholisch.

Kirsten Reimers

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Nic Pizzolatto: Galveston
(Galveston, 2011)
Aus dem Amerikanischen von Simone Salitter und Gunter Blank
Metrolit 2014
geb., 253 Seiten, 20 Euro
ISBN 978-3-8493-0097-5
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Bruce Holbert: Einsame Tiere
(Lonesome Animals, 2012)
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Liebeskind 2014
geb., 303 Seiten, 19,80 Euro
ISBN 978-3-95438-034-3
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Jim Nisbet: Der Krake auf meinem Kopf
(The Octopus On My Head, 2007)
Aus dem Englischen von Ango Laina und Angelika Müller
Pulp Master 2014
Tb., 320 Seiten, 14,80 Euro
ISBN 978-3-927734-48-7
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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in:
Frankfurter Neue Presse