Auf der Jagd nach dem Mentalterroristen

Drei Kriminalromane zwischen Okkultismus, Versicherungsbetrug und Gesellschaftsanalyse

Ermordet, das Herz herausgeschnitten, liegt Parapsychologe Gabriel Rosenfeld in einem von innen verschlossenen Raum. Was zunächst wie ein höchst klassischer Krimiplot – ein Locked-Room-Mystery – scheinen mag, entpuppt sich sehr bald als Spiel mit aktuellen Trends der Unterhaltungsindustrie: Vampire, Nachzehrer, Voodoo, Spuk, Hellseherei, Psi-Phänomene, Telekinese und und und. Mittendrin Christine Lehmanns ruppig-schillernde Schwabenreporterin Lisa Nerz, die mit ihren eigenen Psi-Kräften hadert.

Wie schon im Krimi »Malefizkrott« greift Lehmann aktuelle Ereignisse und Strömungen in Gesellschaft wie Medien auf und verzwirbelt sie in gestochen scharfer Sprache zu einem klugen Krimiplot. Leicht ins Surreale übersteigert, bleibt Lehmann dennoch bodenständig und zeigt unter anderem die Manipulierbarkeit der Medien und deren Manipulationen, wenn es um den nächsten heißen Scoop geht. Doch wirklich faszinierend und erstaunlich ist, wie man als Leser mit Lisa Nerz in das merkwürdige Denksystems der Parapsychologie eintaucht und gleichzeitig das Konzept von außen kritisch beäugt. Das schafft wohl nur Christine Lehmann. Und nicht einmal der Katzencontent kommt dabei zu kurz.

Antworten aus dem Jenseits

Okkultismus und die Beeinflussbarkeit der Medien sowie deren kreativer Umgang mit Fakten und Fiktionen spielen auch im neuen Kriminalroman von Carol O’Connell eine Rolle: »Tödliche Geschenke« lautet sein Titel. Vor zwanzig Jahren verschwand Josh, damals gerade mal 14 – heute kehrt er Stück für Stück, Knochen für Knochen (so auch der Originaltitel) zurück. Dadurch brechen alte Wunden wieder auf, und neue kommen hinzu.

Wirklich viel passiert nicht in Carol O’Connells neuem Krimi – doch das Wenige ist dafür umso intensiver. Niemand in diesem Buch sagt zunächst die ganze Wahrheit, jeder hält ein Stück zurück, manche lügen ganz bewusst. Nichts und niemand ist, wie er im ersten Moment scheint. Als Leser weiß man lange Zeit nicht, wem und ob man überhaupt einer dieser seltsam-verschrobenen Figuren im Städtchen Coventry im Norden Kaliforniens glauben soll – oder den Fernsehberichten, die durch geschickten Schnitt Tatsachen verdrehen, oder den Antworten des Ouijabretts, des Hexenbretts, mit dem Touristen und  Einwohner seit Jahren mit dem Geist des jungen Josh Kontakt aufnehmen. »Tödliche Geschenke« ist ein eher zurückhaltender Kriminalroman von warmherzigem und intelligentem Charme.

Antworten aus dem Feuer

Ganz irdisch hingegen ist »Die Sprache des Feuers« von Don Winslow. Dank der großen Erfolge von Winslows »Tage der Toten« und »Zeit des Zorns« liegt nun endlich auch dieser Roman erstmals auf Deutsch vor, obwohl er bereits 1999 im Original erschienen ist. Schon da zeigt sich Winslows kreatives Desinteresse an einschränkenden Formkonventionen.

Präzise und detailgenau schildert er die Arbeit des Brandermittlers Jack Wade, der für die Versicherungsgesellschaft California Fire & Life tätig ist. Bei dem Brand in einem schmucken Bungalow, bei dem es eine Tote gibt, scheint es sich zunächst um einen tragischen Unfall zu handeln. Doch je genauer Jack hinschaut – und als Schadensregulierer der Versicherung ist genau dies sein Job –, um so deutlicher wird, dass es sich um Brandstiftung und Mord handelt. Aber beweisen kann er es nicht, und so entspinnt sich ein gnadenloses Duell zwischen Ermittler und Brandstifter – und eine scharfsichtige Analyse der US-amerikanischen Gesellschaft, von Gier und Korruption.

Kirsten Reimers

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Christine Lehmann: Totensteige
Ariadne/Argument Verlag 2012
Tb., 537 Seiten, 12,90 Euro
ISBN 978-3-86754-189-3
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Carol O’Connell: Tödliche Geschenke
Bone by Bone, 2008)
Aus dem Amerikanischen von Renate Orth-Guttmann
btb 2012
Tb., 414 Seiten, 14,99 Euro
ISBN 978-3-442-75341-3
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Don Winslow: Die Sprache des Feuers
(California Fire & Life, 1999)
Aus dem Amerikanischen von Christ Hirte
Suhrkamp 2012
Tb., 419 Seiten, 9,99 Euro
ISBN: 978-3-518-46350-5
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 Diese Besprechung ist zuerst erschienen in der Frankfurter Neue Presse.