Von tödlichen Geheimnissen und poetischer Grenzüberschreitung

So unterschiedlich wie eigen

Im Nachlass seines verstorbenen Vaters entdeckt Robert Lubisch das Foto einer unbekannten jungen Frau, aufgenommen in den frühen vierziger Jahren. Eine frühe Freundin? Vielleicht gar eine Geliebte? Aus Neugier – und in der Hoffnung, einen kleinen grauen Fleck auf der aufreizend weißen Weste des Vaters zu finden – beginnt Lubisch, ein wenig nachzuforschen, wer diese Frau gewesen sein mag. Die Recherchen führen ihn nach Kranenburg am Niederrhein und in die Zeit des Nationalsozialismus – und in ein Drama, das bis in die Gegenwart nachwirkt.

Mechthild Borrmann ist mit »Wer das Schweigen bricht« ein sehr ruhiger, nahgehender Kriminalroman über Jugend, Liebe und Zurückweisung gelungen, der seine Glaubwürdigkeit aus den sorgfältig gezeichneten Figuren und ihren Lebensumständen bezieht. Die Zeit des Nationalsozialismus ist dabei ebenso Bedingung für die geschilderten Ereignisse wie die Charaktere mit ihren unterschiedlichen Sehnsüchten und Ängsten, die hier aufeinander treffen.

Zwischen Melancholie und Verzweiflung

Kurz vor Weihnachten verschwindet der zehnjährige Adrian aus einem Kinderschutzhaus in München. Tabor Süden, früher Kriminalkommissar, heute Privatdetektiv, wird beauftragt, den Jungen zu suchen. Dank der SMS, die Adrian seiner besten Freundin Fanny schreibt, kommt Süden mit dem Jungen ins Gespräch. Nach und nach nähert er sich dem Leben des Kindes.

»Süden und die Schlüsselkinder« ist nach »Süden« der zweite Roman, in dem Friedrich Anis langjähriger Polizeiermittler Tabor Süden nach sechsjähriger Auszeit nun als Privatdetektiv unterwegs ist und vermisste Personen sucht – intuitiv, einfühlsam und mit großer Sturheit. Wie gewohnt scheut Ani keinerlei Nähe zu seinen Figuren, deren Motive, zerschollene Hoffnungen und Leben er intensiv ausleuchtet in dieser faszinierenden Mischung aus Melancholie, Verzweiflung und Leichtigkeit.

Über Grenzen hinweg

Ein todkranker Auftragskiller, Vietnamveteran, soll einen unauffälligen Buchhalter töten. Doch bevor es dazu kommen kann, schießt jemand anders auf das Opfer. Ein Detective, dessen Frau im Sterben liegt, wird gemeinsam mit seinem Partner auf den Fall angesetzt. Ein Junge wird von beiden Eltern verlassen und schlägt sich allein durchs Leben – und träumt die Träume des todkranken Killers.

James Sallis‘ Roman »Der Killer stirbt« ist weniger ein Krimi als vielmehr eine Reflektion über Verlassenheit, Verlust und Tod, die sich nicht um Genregrenzen schert. Die Handlung entwickelt sich nicht chronologisch, sondern folgt einer Traumlogik, in der die Zeitebenen verschwimmen sowie Erinnerungen, Träume und Phantasien einfließen aus den unterschiedlichen Perspektiven des Killers, des Polizisten und des Jungen. Bei aller Nüchternheit der Sprache poetisch und faszinierend.

Kirsten Reimers

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Mechthild Borrmann: Wer das Schweigen bricht
Pendragon 2011
Tb., 224 Seiten, 9,95 Euro
ISBN: 978-3-86532-231-9
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Friedrich Ani: Süden und die Schlüsselkinder
dtv 2011
Tb., 188 Seiten, 8,99 Euro
ISBN: 978-3-426-50936-4
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James Sallis: Der Killer stirbt
Aus dem Englischen von
Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt
Liebeskind 2011
geb., 251 Seiten, 18,90 Euro
ISBN 978-3-935890-78-6

Diese Besprechung ist erstmals erschienen
in der Frankfurter Neuen Presse.