Von Drogenkriegen, geheimnisvollen Ungeheuern und mörderischem Ehrgeiz

Spannung zwischen Coolness und Satire

Mit »Tage der Toten« schrieb Don Winslow einen der wichtigsten und besten Romane dieser Zeit zum Drogenkrieg zwischen den USA und Mexiko. Sein aktueller Roman »Zeit des Zorns« greift sozusagen einen einzelnen Mosaikstein dort heraus und schildert das Drogenmilieu im Kleinen.

Ben und Chon verkaufen das beste Marihuana in Kalifornien. Die beiden Männer könnten unterschiedlicher kaum sein: Chon, ein Ex-Marine, der bereit ist, ohne Skrupel zu töten, Ben, der den Gewinn aus seinen Drogengeschäften in humanitäre Projekte in der dritten Welt steckt. Dennoch sind sie die besten Freunde, die sogar problemlos in ein und dieselbe Frau verliebt sein können: Ophelia, genannt O. Das Geschäft läuft gut, bis das Baja-Kartell, das größte Drogenkartell an der mexikanisch-amerikanischen Grenze, den kleinen entspannten Konkurrenzbetrieb schlucken will. Es entbrennt ein Kampf zwischen den ungleichen Branchenvertretern, der nur in die Katastrophe führen kann.

»Zeit des Zorns« ist ein schneller, extrem cooler, unverfrorener und intelligenter Roman, der sich nicht um Schreibkonventionen kümmert. Zum Glück wurde er hervorragend übersetzt von Conny Lösch. Ein grandioses, kleines, abgebrühtes Meisterwerk!

Auf der Jagd nach dem Antichrist

Erneut schickt Josh Bazell in »Einmal durch die Hölle und zurück« seinen ehemaligen Mafiakiller und jetzigen Arzt Pietro Brnwa ins Rennen, diesmal auf die Suche nach einem Ungeheuer in den Seen von Minnesota. Der Roman erreicht nicht die abgeklärte Lässigkeit und drogenstarrenden Überschallgeschwindigkeit des Erstlings »Schneller als der Tod«, doch ist er voller absurder Ideen, die recht hübsch auf die Spitze getrieben sind – unter anderem Sarah Palin auf LSD auf Suche nach dem Antichrist.

Wieder gespickt mit Fußnoten, wartet der Roman mit Exkursen und gefakten Lexikonartikeln sowie mit einem umfangreichen Quellenverzeichnis auf. Dieses zeigt zum einen die Vielfalt der Themen, die Bazell anreißt, und zum anderen wird deutlich, wie durchdacht er Stellung bezieht zu Umwelt-, Gesundheits-, Energiethemen innerhalb dieses schön überzogenen, vielleicht etwas geschwätzigen Thrillers. Die Korruption und Unfähigkeit verschiedener US-Regierungen und Präsidenten werden genauso süffisant bis boshaft eingebunden wie Widersinnigkeiten des Gesundheitssystems oder christlicher Fanatismus. Allein wegen dieses Quellenverzeichnisses ist der Roman schon lesenswert.

Mörderische Bildung

Auch Rob Alef legt mit »Kleine Biester« seinen zweiten Kriminalroman vor: Eine Reihe seltsamer Unfälle dezimiert die Klasse 6b der James-Hobrecht-Grundschule in Berlin-Kreuzberg: Zuerst tut sich ein Krater im Sandkasten eines Spielplatzes auf und zieht ein Mädchen in die Tiefe, dann stirbt einer ihrer Mitschüler an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Erst der angesägte Lenker eines Kinderfahrrads bestätigt den Verdacht: Hier ist ein perfider Mörder am Werk. Hängt die Mordserie mit dem Auswahlverfahren der nächst höheren Schule zusammen? Will hier jemand die Anwärter auf die ebenso begehrten wie limitierten Schulplätze beiseite schaffen, um die eigenen Chancen beziehungsweise die des eigenen Kindes zu erhöhen?

Mit einem vertrackten Sinn fürs kleine gemeine Böse nimmt Rob Alef ehrgeizige Eltern, »Arschlochkinder« (wie Christiane Rösinger sie so treffend nennt) und neoliberales Leistungsgedöns satirisch aufs Korn. Dabei verwebt er ausgeklügelte fiktive Stadtgeschichte mit jugendlichem Forscherdrang, ausgefallenen Mordmethoden und einem Schuss Phantastik. Herausgekommen ist ein netter, fieser, kleiner Krimi, der angenehm überzogen ist und nie ins Alberne kippt.

Kirsten Reimers

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Don Winslow: Zeit des Zorns
(Savages, 2010)
Deutsch von Conny Lösch
Suhrkamp 2011
Tb., 338 Seiten, 14,95 Euro
ISBN 978-3-518-46300-0
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Josh Bazell: Einmal durch die Hölle
und zurück
(Wild Thing, 2011)
Deutsch von Thomas Gunkel und Malte Krutzsch
S. Fischer Verlag 2011
Hc, 409 Seiten, 18,95 Euro
ISBN 978-3-10-003913-2
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Rob Alef: Kleine Biester
Rotbuch Verlag 2011
Tb., 349 Seiten, 14,95 Euro
ISBN 978-3-86789-136-3
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

Diese Besprechung ist erstmals erschienen
in der Frankfurter Neuen Presse.