Es beginnt unspektakulär: V. I. Warshawski übernimmt etwas widerwillig den Auftrag, einen Mann zu suchen, von dem seit über vierzig Jahren jede Spur fehlt. Wenig Aussicht auf Erfolg, geringe Bezahlung, mauernde Zeugen, misstrauische Klienten – nicht gerade die besten Voraussetzungen. Als Warshawskis junge Cousine Petra verschwindet (womöglich entführt wurde), konzentriert sich die Privatermittlerin weitaus stärker auf diese Familienangelegenheit. Sie stößt auf ein komplexes Geflecht aus Korruption und Machtmissbrauch und muss feststellen, dass ihre engsten Verwandten darin verwickelt sind.
Trägt das Konzept noch?
Natürlich hängen die Fälle zusammen, das gehört dazu und wundert niemanden. Weitaus gewichtiger ist die Frage, ob dieses Konzept von Krimi immer noch trägt. Paretsky bleibt nach wie vor der Hard-boiled-Tradition treu. Sie ist eine der wenigen Krimiautorinnen – vielleicht gar die einzige -, die ihre Ende der achtziger Jahre entworfene Heldin heute noch ins Rennen schickt: schlagfertig, unerschrocken, selbstbewusst, unabhängig. Und inzwischen rund fünfzig Jahre alt. Vor knapp fünfundzwanzig Jahren waren die vielen Privatermittlerinnen, die das Genre stürmten, eine Bereicherung für die Krimiwelt, ein Gegenentwurf zum hilflosen oder manipulativen Weibchen, das bis dahin die Hard-boiled-Krimis als sexy Deko schmückte.
Inzwischen ist die Welle deutlich abgeebbt, die meisten Detektivinnen haben ihre Ermittlungen eingestellt – und bei vielen ist das auch wirklich gut so: Nur wenige Figuren taugten wirklich als Alternative, in den meisten Fällen lief sich die Idee als Masche tot, und die Serienmörderwelle sowie die damit einhergehende Aufrüstung zur Hightechspurensicherung (DNA! CSI!!) verstärkte das generelle Glaubwürdigkeitsproblem der Privatermittler. (PI überzeugen eh nur bei emotional motivierten Morden im kleinen Kreis, doch das ist ein anderes Thema.)
Kein verschwurbelter Schnickschnack
Paretsky ist eine der wenigen Krimiautorinnen, die an diesem Konzept festhält – und bei ihr ist es sogar heute noch tragfähig. Das liegt zum einen daran, dass die Hauptfigur bei aller Unabhängigkeit nie als einsame Wölfin angelegt war, sondern sich immer in irgendeiner Form in soziale Netze eingebunden war (so lässt sich auch die Technologiefalle umgehen). Zudem verzichtet Paretsky auf Serienmörderschnickschnack: Die Fälle sind bodenständig und realistisch, meist beginnt es mit Versicherungsfällen oder – wie dieses Mal – der Suche nach vermissten Personen. Die Motive für Verbrechen sind keine ästhetisch verschwurbelten Konstrukte oder tausendfach wiedergekäute Missbrauchsgeschichten, sondern in politischen und sozialen Strukturen verankert: Gier, Macht, Geld, Hass – und damit verbunden: Korruption, Machtmissbrauch, Rassismus.
Vor allem aber gelingt Paretsky eines: gesellschaftliche Stimmungen und politische Verhältnisse im Alltagsleben aufzuzeigen. Wie nebenbei schafft sie es, in „Hardball“ einen Bogen von der Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King bis in die Gegenwart zu schlagen und das Porträt eines Landes zu zeichnen, dessen Sozialsysteme am Boden liegen, weil alles Geld in den Krieg gegen den Terror gepumpt wird, und in dem der Hinweis auf die nationale Sicherheit obskuren Regierungsbehörden alles erlaubt – ein Staat auf dem Weg in die totale Überwachung. Und das tatsächlich nur nebenbei, denn der eigentliche Fall – na, lesen Sie lieber selbst.
Paretsky erfindet in „Hardball“ das Rad nicht neu, aber der Krimi ist glaubwürdig, solide und gut konstruiert, mit klarem, klugem Blick auf Verhältnisse und Zusammenhänge. Erneut zeigt Paretsky, warum sich Krimi prima dazu geeignet, Gegenwart und Gesellschaft zu skizzieren.
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Sara Paretsky: Hardball
(Hardball, 2009)
Deutsch von Monica Bachler
Köln: DuMont 2011
Tb., 508 Seiten, 9,99 Euro
ISBN 978-3-8321-6160-6
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Diese Besprechung ist erstmals
erschienen im Crimemag.