Aufsätze, Artikel, Vorträge zur Kriminalliteratur aus fünfzehn Jahren
»Kriminalliteratur ist die Literatur, die – weltweit gesehen – am meisten gelesen wird«, stellt Thomas Wörtche gleich zu Beginn seines Buches »Das Mörderische neben dem Leben« fest.
Trotzdem gehört Kriminalliteratur zu der Literatur, die am wenigsten ernst genommen wird – als Literatur. Die Literaturwissenschaft begegnet dem Krimi bis heute mit Skepsis; immer wieder sind Krimibesprechungen aus diesem Lager wirklich amüsant: Mit Erstaunen wird dort ein ums andere Mal konstatiert, dass das tatsächlich Geschriebene ganz anders ist als die Theorie! Jeder Krimi ein Regelbruch! Das überfordert die Literaturwissenschaft, für die der Krimi in all seinen Subformen zumeist etwas Starres zu sein hat. Außerdem gibt es natürlich noch die Kritikerschar, die sich an eine breite Leserschaft wendet. Sie ist zumeist etwas flexibler und geht mehr vom gerade gelesenen Buch als von theoretischen Über- oder Unterbauten aus. Aber auch in diesen Kreisen ist der Umgang mit Kriminalliteratur eher nebensächlich. Krimis werden meist nur danach beurteilt, ob sie unterhaltsam und spannend sind. Wie schade! Da steckt doch sehr viel mehr drin.
Gewalt und Verbrechen als soziale Interaktion
Zum Glück gibt es Thomas Wörtche, der – belesen, scharfsichtig, eloquent – sich schon seit Jahren, Jahrzehnten mit Kriminalliteratur als Literatur beschäftigt – nicht nur, aber auch und viel. »Das Mörderische neben dem Leben« vereint erstmals veröffentlichte wie unveröffentlichte Aufsätze, Artikel, Vorträge aus rund fünfzehn Jahren, dazu kommen Texte, die extra für dieses Buch verfasst wurden.
Thomas Wörtche geht nicht davon aus, definieren zu können, was ein Krimi ist und worin der Unterschied zum Nicht-Krimi liegt: »Die Kriminalliteratur ist, genauer betrachtet, keine Form. Sie ist nicht die ›eine Form‹. Das ist ein Missverständnis.« Dadurch bleibt er offen für die unterschiedlichsten Spielformen, für Entwicklungen und Untertöne. Es geht in den Beiträgen zum Beispiel um den oft unterschätzen Eric Ambler, um den kategoriensprengenden George Simenon, um Chester Himes, seine unterschiedlichen Schreibrichtungen sowie deren Wahrnehmung, um Patricia Highmiths Mr. Ripley. Es gibt Überlegungen zum Verhältnis des Mörderischen zum Komischen – nicht zu verwechseln mit dem Humorigen -, zur Universalität das Konzeptes Krimi, das weltweit relativ problemlos verstanden wird, zum Unterschied von Krimi und Kriminalliteratur, zu den Beziehungen von Kriminalliteratur und Science Fiction, zum Zusammenhang von Gewalt und Musik. Außerdem gibt es einen Text zur Entstehung und Konzeption der Reihe metro im Unionsverlag, deren Herausgeber Thomas Wörtche bis 2007 war, TWs seltsame Rankings und einen Beitrag zu der verstörenden Ästhetik des argentinischen Zeichners Alberto Breccio.
Der Kriminalroman als Verständigung über Gesellschaft
Wörtches zugrunde liegende Überzeugung ist, dass die überall präsente, überall erfahrbare Gewalt – und sei es nur in ihrer medialen Vermittlung – ihren Widerhall im Kriminalroman findet. Gewalt und Verbrechen sind die Generalthemen der Kriminalliteratur – und zwar als soziale Interaktion zwischen Menschen. Auf diese Weise ist Kriminalliteratur ein Mittel zur Gesellschaftsanalyse und zur Kommunikation über Gesellschaft. Damit dient der Krimi auch zur Einübung eines nicht-naiven Denkens: »[…] weil für den Umgang mit der Welt, in der wir leben, das Bewusstsein dafür nicht ganz unerheblich ist, dass Gewalt und Verbrechen konstitutiver Bestandteil menschlichen Zusammenlebens sind.«
Kriminalliteratur verdoppelt nicht einfach Realitäten, indem sie versucht, möglichst einfach abzubilden; Kriminalliteratur versucht vielmehr, möglichst viele Dimensionen und Facetten von Realität zu artikulieren. […]
Die besten Kriminalromane sind nach all dem Gesagten vermutlich die, die auf der Basis einer penibel genauen Wirklichkeitsbeobachtung die Realität poetisch zum Leuchten bringen.
Das Mitdenken von Gesellschaft bewahrt Wörtche vor Dogmatik. Und ermöglicht – neben der Freude an den intelligenten Beiträgen – das Beste dieses Buches: Die Aufsätze, Artikel, Vorträge regen zum Nachdenken, zum Hinterhergrübeln, zum begeisterten Zustimmen (Endlich sagt das mal jemand!) und zum Widersprechen an. Sie sind Reibungsflächen. Das schärft die eigene Wahrnehmung und lädt ein, die eigenen Kategorien und Wertmaßstäbe mal wieder durchzumustern, auszuschütteln, neu zu sortieren. Allein störend ist die Abwesenheit von Frauen als Autorinnen von Kriminalliteratur. Zwar werden Liza Cody oder Pieke Biermann am Rande erwähnt, Sara Paretsky kaum gestreift, natürlich auch Highsmith genannt (eher ambivalent) – aber es gibt doch deutlich mehr Frauen, die gute Kriminalromane schreiben, in denen Realität und Gesellschaft eine Rolle spielen. Ein blinder Fleck? Auf jeden Fall ein Katalysator zum Darüber-hinaus-Denken.
Zum Bestellen bei eBook.de einfach auf den Titel klicken:
Thomas Wörtche: Das Mörderische neben dem Leben
Libelle Verlag 2008, 203 Seiten, 19,90 Euro
ISBN: 978-3-905707-21-2
Diese Rezension ist auch erschienen auf satt.org

Lektüre von Büchern dieser Autorin etwas übersehen? Bislang hatte ich zwei Thriller von Slaughter gelesen und sie unnötig grausam sowie ziemlich selbstgerecht gefunden. Doch vielleicht war dieser Thriller wirklich anders. Immerhin gehört er nicht zu Slaughters »Grand-County«-Serie. Also: Wer weiß, vielleicht hatte sie diesmal tatsächlich andere Töne angeschlagen.
übernehmen Detective Rob Ryan und seine Partnerin Cassie Maddox. Vor zwanzig Jahren war dieser Wald schon einmal der Schauplatz eines Verbrechens: Drei zwölfjährige Kinder verschwanden in ihm, zwei Jungen und ein Mädchen – Peter, Germaine, Adam -, und nur Adam wurde wieder gefunden. Er klammerte sich an einen Baum, krallte die Finger in die Rinde, die Schuhe waren blutdurchtränkt. Schwer traumatisiert, erinnert er sich an nichts. Was niemand außer Cassie weiß und auch nicht wissen darf: Rob Ryan, eigentlich Adam Robert Ryan, ist jener Junge. Würde dies bekannt, würde ihm der aktuelle Fall aufgrund seiner Verstrickung entzogen werden – denn möglicherweise besteht eine Verbindung zwischen beiden Verbrechen. Und je weiter die Ermittlungen voranschreiten und je tiefer Ryan von dem Fall berührt wird, umso weniger kann er zurück, ohne seine Karriere und auch die seiner Partnerin unwiderruflich zu ruinieren.
entschwindet im Lichtschacht eines alten, grauen, großen Gebäudes. Bei der nachfolgenden Bergungsaktion entdeckt die angehende Journalistin das Wort »Hilfe« – mit Mühe und offenbar über einen langen Zeitraum hinweg in den Stein des Schachtes gegraben. Damit ist Ritas Neugier geweckt. Mit Hartnäckigkeit macht sie sich daran, das Geheimnis zu lüften. Die Spur führt zurück in die Nazizeit, in die Wirren des Zweiten Weltkriegs zu einem gemeinen Verbrechen. Und damit nicht genug – alles deutet daraufhin, dass der unheimliche Täter, der »Graumacher« noch heute sein Unwesen treibt.