Keine Angst, der will nur töten

Der freundliche Psychopath von nebenan?

Ich habe eine Schwäche für (fiktive) Serienmörder. Dieses Abgründige, vollkommen Böse, morden aus einem tieferen Bedürfnis. Mord als hohe Kunst. Völlig irreal und jenseits jeder Glaubwürdigkeit. Aber faszinierend. Ich mag auch TV-Serien, mag das Konzept, dass sich Handlungsstränge über die ganze Staffel ziehen, manches aber auch innerhalb einer Folge geklärt und abgeschlossen wird. Im Grund eine gute Voraussetzung, um die Serie „Dexter“ mit dem gleichnamigen freundlichen Serienmörder zu mögen. Tagsüber arbeitet Dexter als Spezialist für Blut bei der Polizei von Miami, nachts ist er als Serienmörder unterwegs. Als Konzept, als Idee – hat doch was, dachte ich mir. Dachte ich.

Dexter ist in der Tat ein netter Kerl. Seine Unfähigkeit, Beziehungen aufzubauen, Gefühle zu empfinden, kann er wunderbar unter einer glatten und harmlosen Maske verbergen. Und selbst als Serienmörder ist er ein guter: Denn er mordet nur Seinesgleichen. Ein Serienmörder, der Serienmörder serienmordet. Und zwar diejenigen, die durch die Maschen des Rechtssystems rutschen. Diejenigen, die die Polizei nicht erwischt, und auch diejenigen, die die Justiz nicht festnageln kann. Und auch diejenigen, denen Dexter ansieht, dass sie Serienmörder sind.

Glücklich, wer seiner Berufung folgen kann

Na, das ist doch freundlich. Da übernimmt ein Serienmörder Verantwortung. Säubert die Straßen, verdingt sich als Ausputzer. Und er folgt einem ganz bestimmten Ehrenkodex, den hat ihm nämlich sein Daddy eingeimpft: „Das Töten muss einem höheren Zweck dienen, sonst ist es nur Morden.“ Daddy hat damals den dunklen Drang seines Sohnes – Adoptivsohnes wohlgemerkt – erkannt und kanalisiert. Er hat ihm beigebracht, die Bösen zu erkennen, sie ausfindig zu machen und sie umzubringen. Was für ein fürsorglicher Daddy. Daddy war nämlich Polizist und muss es ja wissen: „Es gibt Menschen, die haben es nicht verdient zu leben.“

Es wird auch noch erklärt, warum Dexter diesen Wunsch hat, andere umzubringen: Als Kind hat er etwas ganz, ganz Schreckliches erlebt, darum ist er so geworden, wie er ist. Aber zum Glück hat ihm Daddy ja die richtige Richtung gezeigt, seine fatale Leidenschaft in die richtigen Bahnen gelenkt. Ihn hübsch abgerichtet. Und so ist der liebe Dexter im Namen des Vaters unterwegs. Halleluja. Morden im Dienst der Gesellschaft. Einer muss es ja machen, warum es also nicht jemandem überlassen, der auch noch Spaß daran hat. Denn dieses scheißliberale Justizsystem geht ja ganz offensichtlich viel zu lasch um mit den Bösen. Da braucht es den Ausputzer. Serienmord für die Erhaltung von Recht und Ordnung.

Arbeitsteilung in der modernen Gesellschaft

Die Werbung, die RTL2 für die Serie geschaltet hat, zeigt sehr deutlich, worum es geht: „Du sollst nicht töten – lass ihn das machen.“ Die Drecksarbeit hübsch händeschonend delegiert. Und schließlich mordet Dexter ja nur diejenigen, die es nicht verdient haben, zu leben. Gut abgerichtet, das hat Daddy prima gemacht. Da passt auch gleich die zweite Werbeanzeige des Senders: „Keine Angst, der will nur töten.“ Dexter, das wohlerzogene Mordhündchen.

Denn wo die Laberveranstaltung Justiz versagt, da muss der besorgte Bürger ran. Wenn die öffentlichen Organe ihrem Auftrag nicht nachkommen, dann muss man das Recht in die eigenen Hände nehmen. Gerechtigkeit für einen Mörder? Einen Pädophilen? Einen Betrunkenen am Steuer? Nicht doch.

Und das ist das Perfide an dieser Serie: Was als hip und tabubrechend daher kommt, ist erzkonservativ, reaktionär, rückständig. Selbstjustiz und Rechtsbeugung als Serienkonzept. Richtig eklig rechts.

Kirsten Reimers

TV-Serie „Dexter“
montags, 22:55 Uhr
RTL2