Gefangen im Filz aus Macht, Geld und Verbrechen

Grandiose Kriminalromane von Dominique Manotti, Mike Nicol und Daniel Woodrell

Paris im Sommer 1944. Während an den Stränden der Normandie bereits die Alliierten landen, versuchen Kollaborateure und deutsche Besatzer, in der französischen Hauptstadt so viel an Vermögenswerten zusammenzuraffen wie irgend möglich. Rücksichtslos wüten SS und Gestapo, besonders deren französische Mitglieder. Etwas hilflos zwischen allen Fronten: Inspektor Domecq, gaullistischer Agent, zur Tarnung Polizist bei der Sitte.

Dominique Manotti beschreibt in ihren Büchern die Verflechtung von Wirtschaft, Politik und Verbrechen, so auch in »Das schwarze Korps«, das schnell und schonungslos, messerscharf in Ausdruck und Darstellung die letzten Wochen der deutschen Besatzung von Paris schildert. Da passt jedes Wort, jede Geste, jede Assoziation. Ein Politkrimi auf enorm hohem Niveau.

Vom Racheengel verfolgt

Um die Verflechtungen von Politik, Ökonomie und Kriminalität geht es auch in »Killer Country«, dem zweiten Band der südafrikanischen »Rache-Trilogie« von Mike Nicol. Die beiden ehemaligen Waffenhändler Mace Bishop und Pylon Buso versuchen, in Kapstadt ein halbwegs bürgerliches Leben zu führen rund zwanzig Jahre nach dem Ende der Apartheid.

Doch so etwas kostet Geld. Geld, das sorgfältig verborgen auf Schwarzgeldkonten auf den Cayman-Inseln lagert. Um dort heran zu kommen, lassen sich Bishop und Buso auf dubiose Immobiliengeschäfte ein, die nicht nur anders verlaufen als geplant, sondern auch ihre Nemesis auf den Plan rufen, die Anwältin Shemina February, die aus nachvollziehbaren Gründen Mace Bishop Rache geschworen hat.

War schon »Payback«, der erste Teil der Trilogie, schwer beeindruckend, überzeugt dieser zweite Band mit hohem Tempo, souveräner Lakonie und ausgefeilter Konstruktion noch mehr.

Eine Kampfansage, ein Anschlag

Daniel Woodrell ist in Deutschland erst richtig durch seinen Roman »Winters Knochen« und dessen Verfilmung bekannt geworden. Mit »Im Süden« liegen nun die frühen Kriminalromane »Cajun Blues«, »Der Boss« (Erstveröffentlichung unter dem Titel »Zoff für die Bosse«) und »John X« erstmals zusammengefasst als »Bayou-Trilogie« in einem Buch vor, ergänzt durch ein Vorwort des wunderbaren Krimi- und Drehbuchautors Frank Göhre.

Die kargen, harten und lakonischen Romane spielen im fiktiven St. Bruno, einer mittelgroßen Stadt am Rande der Louisiana-Sümpfe, gefangen im Filz von Geld, Macht und Verbrechen. Sie sind etwas stärker Genrekonventionen verpflichtet als spätere Romane Woodrells, doch spielen sie auch gleichzeitig mit diesen Regeln – oder, wie Frank Göhre es so treffend im Vorwort sagt: Daniel Woodrells Romane sind »eine Kampfansage an das Establishment, an all die Dummschwätzer und Schönredner, ein Anschlag auf Ignoranz und Mittelmaß«.

Kirsten Reimers

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Dominique Manotti: Das schwarze Korps
Aus dem Französischen von Andrea Stephani
Ariadne im Argument Verlag 2012
geb., 280 Seiten, 17,90 Euro
ISBN 978-3-86754-206-7
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Mike Nicol: Killer Country
Aus dem Englischen von Mechthild Barth
btb 2012
Tb., 508 Seiten, 14,99 Euro
ISBN 978-3-442-75381-9
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Daniel Woodrell: Im Süden
Die Bayou-Trilogie
Aus dem Englischen von Christine Strüh, Adelheid Zöfel, Teja Schwaner
Mit einem Vorwort von Frank Göhre
Heyne 2012
Tb., 680 Seiten, 10,99 Euro
ISBN 978-3-453-43670-1
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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in:
Frankfurter Neue Presse


Rache, kalt serviert

Neue Kriminalromane von Reginald Hill, Helon Habila und James Sallis

Reginald Hill legt mit »Rache verjährt nicht« einen fast altmodischen, aber hervorragenden Racheroman vor: Wolf Hadda, aufgestiegen vom mittellosen Sohn der Unterschicht zum reichen Hedgefondsmanager, eingeheiratet in die Upper Class, stürzt während der Finanzkrise über unsaubere Geschäfte, dazu kommt eine Anklage wegen Kinder- pornographie. Er wird verurteilt, beharrt aber stets darauf, dass er unschuldig sei und hereingelegt wurde. Nach sechs Jahren Haft kommt er frei und hat nur noch ein Ziel: herausfinden, wer hinter der Verschwörung steckt, um Rache zu nehmen.

»Rache verjährt nicht« ist der letzte Roman des Anfang 2012 gestorbenen Krimiautors, der hierzulande eher ein Geheimtipp blieb, während er in seiner Heimat Großbritannien ein gefeierter Bestsellerautor war. Sein letzer Krimi ist elegant, kraftvoll, raumgreifend und gleichzeitig pointiert erzählt, angenehm britisch, mit wenigen, aber gekonnt ausdifferenzierten Figuren, immer über den Tellerrand der persönlichen Motive hinausblickend und das große Ganze einbeziehend.

Ins Herz der Finsternis

Eigentlich keine große Sache, sondern fast so etwas wie Alltag: In Port Harcourt, Nigeria, wird die Frau eines britischen Ölingenieurs entführt. Vermutlich steckt dahinter eine Rebellengruppe, die gegen die Ölgesellschaften kämpft, die im Nigerdelta und vor der Küste nach Öl bohren. Ungewöhnlich ist allerdings, dass keine Lösegeldforderung eintrifft. Der junge Journalist Rufus und sein Vorbild, der gealterte Starreporter Zaq, machen sich daraufhin auf die Suche nach der Britin.

Ihre Reise führt ins ölverseuchte Flussdelta: Ölschlamm, stets brennende Abgas fackeln, Dorfgemein schaften, die ihr Land verkaufen, um der Armut zu entkommen und sich damit ihre Lebensgrundlage nehmen, weil Land und Wasser vergiftet werden, aufgerieben zwischen den Rebellengruppen und dem Militär. Habila schildert dies in »Öl auf Wasser« ohne moralischen Zeigefinger, ohne vordergründige Anklage, zeigt aber eindeutig, wie Lebenswelt und Gesellschaft zerstört werden. Er verbindet dabei Thrillerelemente mit denen einer Liebesgeschichte, eines Entwicklungs- sowie eines Umweltromans. Bei aller Wirklichkeitsnähe hat der Roman etwas Poetisches und Surreales, was ihn umso eindringlicher macht.

In die Tiefen des Raums

2007 erschien die deutsche Übersetzung von James Sallis’ Roman »Drive« und wurde nicht nur an die Spitze der KrimiWelt-Bestenliste des Jahre 2007 gewählt, sondern auch mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Anfang 2012 lief die Verfilmung des Romans erfolgreich hierzulande in den Kinos – und nun liegt mit »Driver 2« die Fortsetzung vor. Die Kenntnis des ersten Romans ist nicht unbedingt notwendig (sie schadet aber auch nicht). Hauptfigur ist erneut der namenlose ehemaliger Stuntfahrer, der nun vielleicht Paul West heißt und von seiner Vergangenheit eingeholt wird. James Sallis schreibt ebenso poetisch wie lakonisch, so verrätselt wie hart, nirgendwo ein Wort zu viel. Ein Noir, ein Road-Thriller – schnell, sehr eigen und sehr gut.

Kirsten Reimers

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Reginald Hill: Rache verjährt nicht
(The Woodcutter, 2010)
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel
und Klaus Timmermann
Suhrkamp 2012
Hc, 684 Seiten, 19,95 Euro
ISBN 978-3-518-46390-1
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Helon Habila: Öl auf Wasser
(Oil on Water, 2010)
Aus dem Englischen von Thomas Brückner
Verlag Das Wunderhorn 2012
Hc, 231 Seiten, 24,80
ISBN 978-3-88423-391-7
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James Sallis: Driver 2
(Driven, 2012)
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger
und Kathrin Bielfeldt
Liebeskind 2012
Hc, 156 Seiten, 16,90 Euro
ISBN 978-3-935890-99-1

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Frankfurter Neue Presse


Nah an der Wirklichkeit

Neue Kriminalromane von Christiane Geldmacher, Merle Kröger und Friedrich Ani

Harry liebt Miriam. Aber Miriam hat ihn verlassen. Schon vor zwei Jahren. Längst hat sie einen neuen Freund: Ben. Und weil Miriam auf Facebook aktiv ist, richtet sich auch Harry dort ein Profil ein. Bald schon ist er im sozialen Netzwerk nicht nur Miriam dicht auf den Fersen, sondern auch ihrem Neuen – und in Harry wächst die Überzeugung: Alles könnte gut werden, wenn nur Ben nicht mehr wäre. Eine folgenreiche Idee.

Das Geschehen wird in Tagebucheinträgen aus Harrys Sicht geschildert. Zwischendrin sind Meldungen von Facebook eingestreut, mitunter auch E-Mails von Harry an andere Personen. Manchmal auch deren Antworten. Und spätestens diese belegen, was man beim Lesen ahnt: Harry ist ein äußerst unzuverlässiger Erzähler. Er schönt und verklärt seine Aktivitäten, belügt sich und andere. Selbst- und Fremdwahrnehmung klaffen kilometerweit auseinander – mit fatalen Konsequenzen.

Christiane Geldmacher hat in ihrem ersten Kriminalroman »Love@Miriam« mit Harry eine grandios unsympathische Hauptfigur geschaffen, der man als Leser aber gern folgt. Denn Harry macht nicht nur sehr treffende spitze Bemerkungen zur Netzgesellschaft, zum Leben im Allgemeinen, zum Lieben, Tai Chi oder zur Arbeitswelt im Besonderen, sondern er ist auch äußerst stimmig gezeichnet in seinem Liebeswahn, in den er sich immer weiter hineinsteigert. Geschrieben ist dies ein wenig überzogen, mit leicht überdreht-hysterischen Komik, die ganz wunderbar passt und die Realität besser einfängt als jede Studie zum Thema Stalking.

Ein heimliches Leben

Auf ganz andere Weise nähert sich Friedrich Ani mit seinem Ermittler Tabor Süden der Realität. Der ehemalige Kriminalkommissar Süden, früher zuständig für Vermisstenfälle, ist auch als Privatermittler ausschließlich mit Vermissungen befasst.

Es sind keine großen, spektakulären Fälle, mit denen er zu tun hat. Meist geht es um Menschen, die unauffällig und in sich zurückgezogen am Rande der Gesellschaft leben. Ohne große Hoffnungen, ohne tiefe Bindungen zu anderen. Menschen, die nach außen hin funktionieren, denen aber niemand nah kommt. Menschen, die ein heimliches Leben führen, ein stilles, kleines, auf engem Raum. Bis etwas passiert, dass sie so überfordert, dass sie einfach gehen. Wie die Kellnerin Ilka Senner, die bislang fleißig und zuverlässig sechs Tage pro Woche in einer Kneipe arbeitete, beliebt bei den Gästen, aber sehr zurückhaltend. So still, dass niemand etwas von ihr weiß oder ihr verborgenes Leben kennt.

Friedrich Ani erzählt in »Süden und das heimliche Leben« – wie in jedem seiner Romane – mit großer Einfühlung von echten Menschen mit vielschichtigen Gefühlen, weit entfernt von jedem Klischee. Dies tut er mit einem unverstellten Blick auf das, was Menschen einander antun können, mit einem großen Herzen und ebenso kluger wie erbarmungsloser Komik.

Untiefen – nicht nur in der Provinz

Ganz der Realität verpflichtet ist auch Merle Krögers neuer hervorragender Roman »Grenzfall«: Im Juni 1992 werden an der deutsch-polnischen Grenze zwei Männer erschossen. Ein bedauerlicher Jagdunfall? Warum brennt dann kurz darauf das Feld, wo dies geschah? Warum werden die genauen Umstände vertuscht? Warum gehen die Schützen vollständig straffrei aus? Und warum unterrichtet niemand die Familien der Toten? Eine der Figuren sagt dazu: »Wären die Opfer Deutsche gewesen und nicht Roma, wäre alles ganz anders gelaufen.« 1992, kurz nach der Wiedervereinigung. Das ist das Jahr, in dem die Asyldebatte in den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen gipfelte, als die Wohnheime von Asylbewerbern unter dem Gejohle des Mobs von Rechtsradikalen in Brand gesteckt wurden.

Merle Kröger greift in »Grenzfall« einen tatsächlichen Fall aus dem Jahr 1992 auf, und sie zieht die Fäden bis in die Gegenwart. Die Autorin belässt es nicht dabei, nach Ursachen in einzelnen Menschen oder in der ostdeutschen Provinz zu suchen, sondern beleuchtet nationale wie europäische Bedingungen, die Lebensverhältnisse der Roma in Europa, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise wie auch die Gewaltbereitschaft des Einzelnen und die Angst vor dem Fremden, die von rechtsradikalen Parteien aus Machtkalkül instrumentalisiert wird. Auf diese Weise gelingt ein Ineinander von großen Strukturen und persönlichen Denkweisen. Große Realitätsnähe, hohe analytische Kraft, gesellschaftliche Relevanz und gleichzeitig eine lebendige Darstellung – das ist Kriminalliteratur, wie sie sein soll.

Kirsten Reimers

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Christiane Geldmacher: Love@Miriam
Edition 211/Bookspot Verlag 2012
geb., 219 Seiten, 14,80 Euro
ISBN 978-3-937357-71-3
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Friedrich Ani: Süden und das heimliche Leben
Knaur Taschenbuch Verlag 2012
Tb., 203 Seiten, 8,99 Euro
ISBN 978-3-426-50937-1
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Merle Kröger: Grenzfall
Ariadne Krimi/Argument Verlag 2012
Tb., 348 Seiten, 11 Euro
ISBN 978-3-86754-210-4

 Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der Frankfurter Neuen Presse.


Besessen vom Tod

Aktuelle Krimis von Carl Nixon, Carl Hiaasen und Jim Thompson

In der Nähe von New Brighton, einer Vorstadt von Christ- church, Neuseeland, wird mit der Flut die Leiche eines Mädchens an Land gespült, vergewaltigt und erwürgt. Mit diesem Tag verändert sich für eine Gruppe von Jungen alles. Sie kannten das Mädchen flüchtig, es war zwei, drei Jahre älter als die Teenager, ging auf die gleiche Schule, arbeitete im Lebensmittelgeschäft der Eltern. Aus der anfänglichen Trauer wird eine Besessenheit: Das ganze Leben der Jugendlichen ordnet sich von nun an der Suche nach dem Mörder unter.

Unter den Kriminalromanen aus Neuseeland, dem diesjährigen Gastland der Buchmesse, sticht »Rocking Horse Road« von Carl Nixon deutlich heraus. Konsequent aus der Perspektive der Gruppe Jugendlicher geschrieben, stets beim »wir« bleibend, nie zur Einzelsicht wechselnd, ist der Roman ist nicht nur eine Schilderung des Erwachsenwerdens und ein Porträt der neuseeländischen Gesellschaft der achtziger Jahre, er zeigt auch, wie dünn die Schicht der Zivilisation ist: Gewalt steckt in jedem, es braucht nicht viel, um sie hervorbrechen zu lassen. Ein Roman, der tiefe Spuren hinterlässt und lange nachwirkt.

Schräge Glamourwelt

Beeindruckend auf ganz andere Weise ist der aktuelle Roman von Carl Hiaasen: In »Sternchenhimmel« verpasst Hiaasen der Popmusikindustrie munter gut gezielte Seitenhiebe. Bei ihm ist Los Angeles’ Glamourwelt – die auch sehr unglamourös daherkommen kann – bevölkert von wunderbar seltsamen Figuren: zum Beispiel einem Popsternchen, das nicht singen, aber dafür exzessive Rauschmittel einwerfen kann, einem besessenen Paparazzo, der die Falsche entführt, einem megaharten Bodyguard mit eingebauten Rasentrimmer, zur Gesichtsstarre gebotoxte PR-Zwillinge, einem Exgouverneur mit improvisierten Dreadlocks auf Rachefeldzug und diverse mehr. Sie alle agieren mit- und gegeneinander, um an Geld, Drogen, Ruhm und Ähnliches zu kommen. In seiner schrägen Überdrehtheit ein sehr kluger Kriminalroman, der seine wirklichen treffenden Spitzen in lässiger Beiläufigkeit verteilt.

In den Abgrund

Charlie Bigger ist klein, höflich, unauffällig und ein Profikiller. Unter dem Namen Carl Bigelow quartiert sich er im College-Städtchen Peardale ein, um im Auftrag eines Gangsterbosses einen Kronzeugen zu erledigen. Bigger wird als der »tödlichste Killer der Kriminalgeschichte« beschrieben: Obwohl er seit Jahrzehnten im Geschäft ist, haben die Ermittlungsbehörden weder Foto noch Fingerabdruck von ihm. Doch wie das so ist mit den letzten Aufträgen: Sie enden fatal. Von einer tödlichen Krankheit von innen her langsam zerfressen, zwischen zwei Frauen hin- und hergerissen und beide manipulierend, verliert Bigger mehr und mehr die Kontrolle über seinen Auftrag, über seine Handlungen und seinen Verstand.

»In die finstere Nacht« hat Jim Thompson bereits 1953 geschrieben, doch erst in diesem Jahr erschien es in deutscher Übersetzung. Rau, dunkel und ungeschönt zeichnet Thompson eine Welt, in der jeder jeden manipuliert, belügt und hintergeht. Zunächst angelegt wie ein typischer Roman des Noir, wird die Erzählung zunehmend fiebriger und abgründiger, um schließlich alle Dimensionen zu sprengen. Wow.

Kirsten Reimers

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Carl Nixon: Rocking Horse Road
(Rocking Horse Road, 2007)
Aus dem Englischen von Stefan Weidle
Weidle Verlag 2012
geb., 238 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 978-3-938803-50-9

Carl Hiaasen: Sternchenhimmel
(Star Island, 2010)
Aus dem Englischen von Marie-Luise Bezzenberger
Manhattan 2012
Tb., 398 Seiten, 14,99 Euro
ISBN 978-3-442-54693-0
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Jim Thompson: In die finstere Nacht
(Savage Night, 1953)
Aus dem Englischen von Simone Salitter
und Gunter Blank
Wilhelm Heyne Verlag 2012
Tb., 272 Seiten, 9,99 Euro
ISBN 978-3-453-67611-4
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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der Frankfurter Neuen Presse.


Ein Hauch von Nichts

Eli und Charlie sind die berühmt-berüchtigten Sisters-Brüder: Killer im Dienst des sogenannten Kommodore. In seinem Auftrag reiten sie nach Kalifornien, um einen Goldsucher mit dem Namen Hermann Kermit Warm umzubringen, der den Kommodore angeblich bestohlen hat. Unterwegs treffen die beiden Brüder eine Menge seltsamer Menschen und erleben eine Menge seltsamer Dinge.

Erzählt wird die Geschichte von Eli Sisters, dem grüblerischen und meist gutmütigeren der beiden Auftragsmörder. Selbst die groteskesten Dinge berichtet er mit einer naiven, etwas verplapperten Ernsthaftigkeit, was diesem Neowestern einen ironisch-distanzierten Unterton gibt, wie natürlich überhaupt mit dem Genre Western ironisch umgegangen wird.

Die Reise der beiden Brüder führt mitten hinein ins Herz einer von Gewalt, Alkohol und Gier besoffenen Welt. Es wird eine Menge Geld und Gold gewonnen und verloren, es wird ziemlich viel gesoffen und reichlich gemordet, manches ist eklig. Aber das alles ist keine große Sache, alles passiert eher en passant – abgesehen von dem Moment am Leuchtenden Fluss, der rauschhaftes Glück bedeutet und gleichzeitig den Tod bringt. Und doch bleibt nichts am Ende haften, weder bei den Brüdern noch beim Leser. Vielleicht gerade wegen der verschwatzten Beiläufigkeit von allem und jedem zerrinnt auch der Roman als Ganzes letztendlich im verplapperten Nichts.

Kirsten Reimers

Patrick deWitt: Die Sisters Brothers
(The Sisters Brothers, 2011)
Aus dem Amerikanischen von Marcus Ingendaay
München: Manhattan 2012
Hc, 348 Seiten, 17,99 Euro
ISBN 978-3-442-54700-5
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 Diese Besprechung ist zuerst erschienen im CrimeMag.