Verwüstungen und Zerstörungen

James Lee Burke erlebt derzeit eine kleine Renaissance auf dem deutschen Krimimarkt. Für ein paar Jahre hierzulande fast völlig vergessen, liegt nun nach »Regengötter« (Deutscher Krimi Preis 2015; besprochen in den MordsBüchern vom März) bereits ein weiterer Roman vor: »Sturm über New Orleans«. Vor dem Hintergrund des Hurrikan Katrina, der im August 2005 New Orleans innerlich wie äußerlich fast komplett verwüstete, schildert Burke die Suche nach dem Mörder eines schwarzen Jugendlichen und nach einem verschollenen kranken Priester.

Im Vorwort erklärt Burke, »Sturm über New Orleans« sei sein zornigstes Buch – und das trifft es im besten Sinne. Der Autor zeigt die Verwüstungen und Zerstörungen, die der Hurrikan in der Stadt und in den Menschen angerichtet hat, das Versagen des Staates und der Menschlichkeit, den Egoismus, die Rücksichtslosigkeit. Wieder beweist Burke, dass er einen genauen Blick für Details hat, ohne dabei je das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Dies gelingt ihm dank lebendiger, vielschichtiger Charaktere in einer hoch spannenden, komplexen, aber nie unübersichtlichen Story.

Bis zum bitteren Ende

Auch Richard Stark hat zur Zeit ein kleines Comeback. Stark ist eines der vielen Pseudonyme des Krimiautors Donald E. Westlake. Mit »The Hunter« liegt eine Neuübersetzung seines ersten Parker-Krimis von 1962 vor – in den siebziger Jahren erstmals auf Deutsch erschienen unter dem Titel »Jetzt sind wir quitt«, verfilmt als »Point Blank« (deutsch: »Keiner darf überleben«), Neuverfilmung 1997 unter dem Titel »Payback« mit Mel Gibson.

Parker, die Hauptfigur, ist Profi, durch und durch. Cool und schnörkellos – so schnörkellos, dass er nicht mal einen Vornamen hat; spezialisiert auf Überfälle, so ein richtig harter Bursche. Als er bei einem Überfall über den Tisch gezogen wird, beginnt er einen Rachefeldzug, bei dem er nicht einmal davor zurückschreckt, sich mit der New Yorker Mafia anzulegen.

Parker wird so cool und hartgesotten dargestellt, dass er fast an eine Karikatur grenzt, ebenso wie das Frauenbild, das der damaligen Zeit entsprechend unterirdisch ist. Aber alles in allem ist der Roman ist sehr schön knapp, schnell, spannend und auf den Punkt.

Tödliche Nähe

Ein deutlich moderneres Frauenbild bietet der neue Roman von Robert Brack: »Die drei Leben des Feng Yun-Fat«. Die Privatdetektivinnen Lenina Rabe und Nadine Adler sollen den verschwundenen Koch ihres Lieblings-Chinarestaurants suchen. Ein etwas undurchsichtiger Auftrag, erteilt vom etwas undurchsichtigen Besitzer des Restaurants. Und tatsächlich stellt sich die Suche als deutlich schwieriger heraus, als gedacht – und als deutlich gefährlicher. Denn bei ihren Recherchen kommen die Detektivinnen einer großen chinesischen Mafiaorganisation viel zu nah.

Bracks Kriminalroman greift ein wenig bekanntes Thema auf: moderne Sklavenhaltung mitten in Deutschland und deren Absegnung durch ein deutsch-chinesisches Abkommen. Spannend, engagiert und mit trockenem Humor macht der Krimi einen Schlenker ins Utopische, um dann aber doch auf dem ernüchternden Boden der Realität aufzuschlagen. Angesiedelt ist die Handlung in der Nähe des Hamburger Hafens, zwischen Subkultur und hanseatischen Anwaltsbüros, jenseits von Hafenromantik und Kiezseligkeit. Sehr angenehm sind die unaufgeregt ungewöhnlichen Ermittlerinnen: mit Berufung und Idealen, stets schlagfertig dank Karate, Aikido und Konfuzius.

Kirsten Reimers

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James Lee Burke: Sturm über New Orleans
(The Tin Roof Blowdown, 2007)
Aus dem Englischen von Georg Schmidt
Pendragon 2015
kart., 576 Seiten, 17,99 Euro
ISBN 978-3-86532-450-4
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Richard Stark: The Hunter
(The Hunter, 1962)
Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl
Zsolnay 2015
geb., 191 Seiten, 17,90 Euro
ISBN 978-3-552-05715-9
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

Robert Brack: Die drei Leben des Feng Yun-Fat
Edition Nautilus 2015
kart., 192 Seiten, 14,90 Euro
ISBN 978-3-89401-813-9

 Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der
Frankfurter Neuen Presse