Verbrechen und Wirtschaft – eine explosive Mischung
Lewis Winter ist im Gefüge des organisierten Verbrechens in Glasgow nur ein kleines trauriges Licht – bis er beginnt, einen großen Coup vorzubereiten und dabei den falschen Leuten in die Quere kommt. Der Auftragskiller Calum MacLean wird auf ihn angesetzt. MacLean, eigentlich freischaffend und ohne die Rückendeckung einer großen Organisation, gerät dadurch zwischen Fronten und in Abhängigkeiten. Keine ganz ungefährliche Situation.
»Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter« ist Malcom Mackays Debüt und gleichzeitig der Auftakt seiner »Glasgow-Trilogie«. Kurz, knapp, fast schroff und mit knacktrockenem Humor beschreibt Mackay aus der Sicht des Profikillers MacLean die unausgesprochenen Regeln des organisierten Verbrechens – wie man überlebt, ohne den falschen Leuten auf die Füße zu treten, und sich trotzdem Respekt verschafft. Und das in einem Milieu, das heutzutage ähnlich funktioniert wie jede andere Wirtschaftsbranche, nur tödlicher. Das klingt so überzeugend, als würde Mackay die Branche tatsächlich von innen kennen. Mackay schreibt sehr konzentriert: Alles, was nicht unmittelbar zur eigentlichen Story gehört, wird weggelassen. Das Ergebnis ist ein schneller, rauer, konsequenter »tartan noir«.
Eine neue Gangstergeneration
Auch Howard Linskeys neuer Krimi »Gangland« spielt im Milieu des organisierten Verbrechens in Schottland, und zwar in Newcastle. Dort hat David Blake das Sagen. Linskeys erster Roman (»Crime Machine«, 2012) beschrieb Blakes Aufstieg – nun geht es darum, die Organisation am Laufen zu halten und sich an der Spitze zu behaupten. Blake schlägt sich dabei mit ähnlichen Problemen herum wie jeder andere Firmenchef: Mitarbeiterführung durch Motivation und Zielvorgaben, das Delegieren von Aufgaben und die Kontrolle der richtigen Ausführung, der Einkauf von Waren und die Distribution. Nur dass es sich halt um eine schwierige Branche handelt, in der Motivation schon mal mittels Gewalt eingefordert wird.
Blake – mit Anfang dreißig recht jung für einen Gangsterboss – gehört zu einer neuen Generation von Verbrechern: Er hat BWL studiert und versucht, die Organisation entsprechend zu leiten: indem er Gewalt möglichst vermeidet und tunlichst nachhaltig wirtschaftet – auch wenn es um Drogenhandel, Prostitution und Geldwäsche geht. Allerdings zeigt sich, dass die Regeln, die innerhalb der Branche herrschen, nur schwer zu verändern sind.
Howard Linskey zeichnet diese neue Art von Gangstertum sehr gekonnt: Einerseits ist seine Hauptfigur ein kühler Kalkulator mit weißem Kragen – andererseits weiß Blake genau, wann er Gewalt bis hin zu Mord einsetzen muss, um sich und seine Organisation gegen Konkurrenten zu behaupten. Hier überschneiden sich Wirtschaft und Verbrechen im hohen Maße. Linskey beschreibt das sehr schön: schnell, ohne hektisch zu werden, amüsant, ohne ins Klamaukige zu kippen, spannend, ohne zu actionlastig zu sein.
Mit kaltem, analytischem Zorn
Ein Buch über Verbrechen und Wirtschaft ganz anderer Art legt Dominique Manotti mit »Madoffs Traum« vor. Das ist kein Krimi im eigentlichen Sinne. Die »moralische Erzählung«, wie die Autorin ihre Novelle nennt, schildert aus Sicht des »Jahrhundert- verbrechers« Bernard Madoff seinen Aufstieg und Fall. Madoff, ehemaliger Finanz- und Börsenmakler, Mitbegründer der NASDAQ, scheffelte über Jahre hinweg Milliarden US- Dollar. Ende 2008 wurde er wegen Betrugs verhaftet. Der finanzielle Schaden wurde vom Gericht mit rund 65 Milliarden US-Dollar beziffert. Zu den Geschädigten gehörten Investmentfonds und Banken rund um die Welt, aber auch Prominente. Die Reichen und Superreichen. Madoff wurde im Sommer 2009 zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt.
In Manottis Novelle blickt er im Gefängnis zurück auf sein Leben, träumt sich einerseits weg aus der Gegenwart und schildert andererseits den amerikanischen Traum: den Aufstieg aus kleinen Verhältnissen zum Multimilliardär – was nur jenseits der Legalität funktioniert. Dominique Manotti, Professorin für Wirtschaftsgeschichte und gefeierte Krimiautorin, schreibt im Nachwort, dass sie die Novelle im Zorn verfasst hat. Dabei richtet sich ihre Wut weniger auf die Person Madoff als vielmehr auf das System, dessen Symbol er wurde. Ein System, dass Investmentbankern erlaubt, unzählige Menschen ins finanzielle Verderben zu reißen – und das dann denjenigen bestraft, der die Reichen und Mächtigen betrogen hat, während all die Bänker, die kleine Leute in den Ruin getrieben haben, ungeschoren davonkommen.
Manotti schildert mit fundiertem Wissen Madoffs kriminelle Praktiken, ohne sich von ihren Emotionen davonreißen zu lassen: Es ist ein kalter, analytischer Zorn, der die Veränderung der amerikanischen Gesellschaft seit der Reagen-Ära aufzeigt, den Siegeszug der Gier, des Raubtierkapitalismus. Ohne ein Wort zu viel, ohne Schnörkel, ohne Abwege. Brillant.
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Malcolm Mackay: Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
(The Necessary Death of Lewis Winter, 2013)
Aus dem Englischen von Thomas Gunkel
Fischer 2014
Tb., 384 Seiten, 9,99 Euro
ISBN: 978-3-596-18939-7
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Howard Linskey: Gangland
(The Damage, 2012)
Aus dem Englischen von Conny Lösch
Knaur 2014
Tb., 213 Seiten, 9,99 Euro
ISBN 978-3-426-51397-2
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Dominique Manotti: Madoffs Traum
(Le rêve de Madoff, 2013)
Aus dem Französischen von Iris Konopik
Argument/Ariadne 2014
geb., 57 Seiten, 8 Euro
ISBN 978-3-86754-401-6
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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in:
Frankfurter Neue Presse