Alltäglicher Horror und der Horror des Alltags

Dämonen in unterschiedlichsten Gestalten

Ruth Lennox wird tot in ihrem Reihenhaus aufgefunden, brutal erschlagen mitten am Tag. Die Frau führte ein unauffälliges Leben in einem unauffälligen Londoner Stadtviertel, sie war seit zwanzig Jahren glücklich verheiratet, Mutter von drei Kindern – woher also dieser Einbruch von Wut und Gewalt in ein wohlgeordnetes Mittelschichtsdasein?

Inspector Karlsson würde gern die Psychotherapeutin Frieda Klein zu den Ermittlungen hinzuziehen, doch die erholt sich einerseits von schweren körperlichen wie seelischen Verletzungen und wird andererseits durch Intrigen ins Abseits gedrängt. Während sie versucht, diesen Intrigen näher auf den Grund zu gehen, kommt sie einem ganz anderen Verbrechen auf die Spur.

»Schwarzer Mittwoch« ist – nach »Blauer Montag« und »Eisiger Dienstag« – der dritte Roman des Autorenpaares Nicci Gerrard und Sean French, das unter dem Namen Nicci French schreibt. Dem Reihenkonzept geschuldet ist der häufige Verweis auf Geschehnisse des zweiten Buches, die in diesem dritten noch eine Rolle spielen. Das ist zunächst etwas störend, weil viele Rückbezüge das Gefühl aufkommen lassen, bei diesem Buch handelt es sich lediglich um ein Anhängsel, einen Nachklapp, der kaum auf eigenen Füßen stehen kann. Doch nach und nach gewinnen die beiden Fälle an Gewicht und Raum.

Dass sich Abgründe hinter der perfekten Fassade der heilen Familie auftun, ist keine Überraschung, dass sich hinter einer harmlosen Erzählung eine Monstrosität verbirgt, war zu erwarten – wie differenziert und sensibel die Autoren jedoch damit umgehen, ist beeindruckend. So sind es vor allem die vielschichtigen Charaktere und die Vermeidung einfacher Antworten, die in »Schwarzer Mittwoch« überzeugen.

Gentrifizierung und Datenspionage

Um so etwas wie Dämonen geht es ebenfalls in Zoë Becks Kriminalroman »Brixton Hill« – wenn sie hier auch gänzlich anderer Natur sind: Bei einem Zwischenfall im Londoner Luxushochhauskomplex Canary Wharf stirbt eine junge Frau. Beschuldigt, diesen Zwischenfall ausgelöst zu haben, wird zunächst deren Freundin Emma Vine. Als wenig Emmas Bruder stirbt, ist diese überzeugt: Jemand hat es auf sie abgesehen. Oder redet sie sich das nur ein?

Zoë Beck verknüpft ihre Krimihandlung mit Fragen der Gentrifizierung, der Immobilienschacherei und der Datenspionage im Internet. Wie stets spielen auch die Abgründe und Fallstricke familiärer Bindungen eine gewichtige Rolle. Erstmals löst sich Zoë Beck von Schottland und dem Figurenensemble, das sie während der letzten vier Kriminalromane begleitet hat. Ihr Krimi bekommt dadurch eine größere Nähe zu aktuellen Themen.

Korruption und politische Intrigen

Eine Journalistin wird beschattet, eine Staatsanwältin will in die Politik und Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden, ein Mann aus der rechtsradikalen Szene der Hauptstadt, angeheuert, einen Senatsangestellten zu verletzen, tötet diesen. Ein Polizist spielt dabei eine unrühmliche Rolle und wird ebenfalls erschossen. Hans Berndorf, in die Jahre gekommener Exkommissar aus dem Süddeutschen, inzwischen als Privatdetektiv in Berlin tätig, soll herausfinden, wer die Journalistin verfolgt und warum. Doch der Fall zieht unerwartet weite Kreise.

Filz, Korruption, Schmiergeldzahlungen, politische Intrigen in Berlin – Ulrich Ritzel legt mit »Trotzkis Narr« einen realistischen und glaubwürdigen Kriminalroman vor. Unaufgeregt wirft er einen scharfsinnigen Blick hinter die Kulissen von Senatsverwaltung und Polizei, von Stadtbauverwaltung und Vorwahlkampf, in moralische Sümpfe und undurchsichtige Graubereiche.

Kirsten Reimers

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Nicci French: Schwarzer Mittwoch
(Waiting for Wednesday, 2013)
Aus dem Englischen von Birgit Moosmüller
Bertelsmann 2014
Klappbroschur, 528 Seiten, 14,99 Euro
ISBN 978-3-570-10164-3
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Zoë Beck: Brixton Hill
Heyne 2014
Tb., 382 Seiten, 8,99 Euro
ISBN 978-3-453-41042-8
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Ulrich Ritzel: Trotzkis Narr
btb 2013
geb., 461 Seiten, 19,99 Euro
ISBN 978-3-442-75298-0
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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in:
Frankfurter Neue Presse