Auf den Spuren der Vergangenheit

Langjährige Verletzungen

Vor 17 Jahren verschwand Stephanies kleine Schwester Gemma. Eine Leiche wurde nie gefunden. Die Familie zerbrach darüber. Heute arbeite Stephanie als Psychiaterin in einer Privatklinik. Als eine Patientin nach einem Selbstmordversuch eingeliefert wird, entdeckt Stephanie auffällige Parallelen: Auch die kleine Schwester von Beth verschwand eines Tages spurlos. Zum ersten Mal findet Stephanie einen Hinweis auf einen möglichen Täter. Daraufhin macht sie sich auf die Suche nach Antworten.

Verdrängte Schuldgefühle

In Paddy Richardsons Thriller »Komm, spiel mit mir« geht es weniger um ein Verbrechen als vielmehr um dessen Auswirkungen auf Gemmas Familie: Das Geschehen wird überwiegend mit Blick auf Stephanie und deren Empfinden geschildert. So engagiert diese sich zwar sehr für ihre Patienten, doch die eigenen Verletzungen hat sie verdrängt: Immer noch leidet sie an starken Schuldgefühlen wegen des Verschwindens ihrer kleinen Schwester, ihr Verhältnis zu ihrer Familie, besonders zu ihrer Mutter, ist sehr angespannt, und sie kann sich auf keine Liebesbeziehung einlassen. Ebenso ist Stephanies Suche nach demjenigen, der ihre Schwester einst entführte, in erster Linie eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Schmerz und eine Selbsttherapie: Stephanie bricht aus gewohnten Strukturen aus, macht neue Erfahrungen, lernt zu leben und söhnt sich schließlich sogar mit der Mutter aus.

Einfühlsam, doch vorhersehbar und langatmig

Paddy Richardson erzählt Stephanies Geschichte mit viel Einfühlungsvermögen, routiniert und handwerklich gekonnt, aber doch sehr vorhersehbar und etwas langatmig. Dass das Buch in Neuseeland spielt, fällt kaum auf: Orte und Landschaften sind austauschbar und haben keinerlei Relevanz für das Geschehen. Das Gleiche gilt sogar für das Verbrechen: Was tatsächlich vor 17 Jahren geschah, was aus Gemma wurde, bleibt unklar. Ein Thriller, wie auf dem Cover behauptet, ist das Buch deshalb eher nicht. Vielmehr ist »Komm, spiel mit mir« ein Roman über eine Selbstfindung, der als solcher aber wenig Unerwartetes, Bewegendes oder gar Weiterführendes bietet.

Kirsten Reimers

Paddy Richardson: Komm, spiel mit mir
(Hunting blind, 2010)
Aus dem Englischen von Eva Bonné
Droemer 2012
geb., 431 Seiten, 19,99 Euro
ISBN 978-3-426-19918-3
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

Diese Besprechung ist zuerst erschienen im Buchmessen-Special der ARD