Die Vergangenheit ist nicht vorbei

Neue Kriminalromane von Anne Goldmann, Sara Gran und Daniel Woodrell

Als sie das Fundament für einen Anbau aushebt, entdeckt die Justizbeamtin Regina in ihrem Garten ein Skelett. Zur Polizei gehen kann sie damit nicht, denn die Ermittlungen würden aufdecken, dass Regina Häuschen und Garten von der Tante eines Gefängnisinsassen überschrieben bekam – doch Kontakte zwischen Justizangestellten und Insassen sind untersagt. Außerdem möchte die verschlossene junge Frau vermeiden, dass in ihrer unschönen Vergangenheit herumgestöbert wird. Als Regina deshalb versucht, ihren Fund verschwinden zu lassen, macht sie sich erpressbar. Dies nutzt der inzwischen entlassene Neffe, dessen Bewährung bei Entdeckung des Skeletts hinfällig wäre. Und außerdem ist da noch der extrem eifersüchtige Kollege und Liebhaber Reginas.

Aus dieser Dreieckskonstellation erwächst in Anne Goldmanns Kriminalroman »Triangel« ein Drama, das kein gutes Ende nehmen kann. In knappen klaren Sätzen, distanziert und ohne viel Brimborium schildert die Autorin, wie der Zusammenstoß der drei unterschiedlichen Charaktere in den Abgrund führt. Hier sitzt jede Geste, jedes Wort: Aus der Fehleinschätzung der Situation oder einem missverstandenen Gesichtsausdruck erwächst die Katastrophe. Selbst die Nebenfiguren haben noch Geheimnisse, die das Geschehen vorantreiben. Leider fehlt Anne Goldmann am Ende der Mut, die Geschichte auf die bitterste Spitze zu treiben. So ist »Triangel« ein guter Krimi, der leider knapp daran vorbeischrappt, wirklich grandios zu sein.

Genial und durchgeknallt

Sehr viel konsequenter hingegen ist das Debüt von Sara Gran. Mit »Die Stadt der Toten« legt sie einen ganz hervorragenden Krimi vor: Die Privatdetektivin Claire de Witt wird beauftragt, das Verschwinden eines Mannes in New Orleans zu klären. Bis kurz vor dem großen Sturm, dem Hurrikan Katrina, hatte er noch gelebt, danach hat sein Neffe, Claires Auftraggeber, jeglichen Kontakt verloren. DeWitt ist nicht irgendeine Detektivin, sondern – wie sie gern darlegt – die beste der Welt. Und vermutlich auch die durchgeknallteste. Interessiert an jeder Droge, die man ihr reicht, jeder kreisenden Flasche zugetan, zieht sie neben dem fernöstlichen I Ging außerdem das Handbuch eines absonderlichen französischen Ermittlers zurate, hört aber ebenso auf ihre Träume und Visionen, die dank halluzinogener Drogen nicht zu selten sind.

Diese unwirsch-knurrige, gewaltbereite, beinharte und höchst misstrauische Detektivin hat bei aller Toughheit etwas zutiefst Schutzloses und Rührendes. Geschrieben mit großer Komik und knacktrockener Ironie ist »Die Stadt der Toten« von einer zerbrechlichen Zartheit, die einem bei allem beißenden Sarkasmus die Tränen in die Augen treibt. Zudem enthält das Buch, angesiedelt im nahezu völlig zerstörten New Orleans, so fürchterlich viel schmerzhafte Wahrheit, dass es ganz wunderbar ist.

In den Abgrund

Nach dem großen Erfolg von Daniel Woodrells »Winters Knochen« ist nun auch sein etwas älterer Roman »Der Tod von Sweet Mister« auf Deutsch erschienen. Er schildert das Ende einer Kindheit: In den Ozarks, einem strukturschwachen Hochplateau in der Mitte der USA, wächst Morris, genannt Shuggie, in Armut, Kleinkriminalität und Drogenmissbrauch auf. Der pummlige Junge wird von einer alkoholkranken Mutter verhätschelt, vom gewalttätigen Vater verachtet und von beiden ausgenutzt. Ein geborener Verlierer, ein unsicherer kleiner Kerl. Doch nach einer Gewalttat zeichnet sich die Chance ab, alles hinter sich zu lassen.

Woodrells Roman folgt der Struktur des klassischen Dramas: Auf die Hoffnung, das Geflecht von Gewalt, Kriminalität, sexueller Unterdrückung und Rauschmitteln abzustreifen und neu anzufangen, folgt die Katastrophe – denn dem Erbe der Väter ist nicht zu entkommen. Nicht ganz so kraftvoll wie »Winters Knochen«, ist »Der Tod von Sweet Mister« aber dennoch äußerst beeindruckend: Klare Sätze, wenig Schnörkel, keine offenen Gefühle – doch unter der lakonischen Oberfläche brodeln Enttäuschung und Hass.

Kirsten Reimers

Zum Bestellen bei eBook.de einfach auf den Titel klicken:

Anne Goldmann: Triangel
Ariadne/Argument Verlag 2012
Tb., 266 Seiten, 11 Euro
ISBN 978-3-86754-202-9
auch erhältlich als eBook (hier klicken)
auch erhältlich als Hörbuch (hier klicken)

Sara Gran: Die Stadt der Toten
(Claire deWitt and the City of the Dead, 2011)
Aus dem Amerikanischen von Eva Bonné
Droemer 2012
Brosch., 361 Seiten, 14,99 Euro
ISBN 978-3-426-22609-4
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

Daniel Woodrell: Der Tod von Sweet Mister
(The Death of Sweet Mister, 2001)
Liebeskind 2012
geb., 191 Seiten, 16,90 Euro
ISBN 978-3-935890-95-3
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

Diese Besprechung ist zuerst erschienen in der Frankfurter Neue Presse.