Der beschädigte Ermittler

Drei Kriminalromane mit beeindruckenden Detektiven, die alles andere als Helden sind

Michael Robothams Serienheld ist Joe O’Loughlin: Psychologieprofessor im englischen Städtchen Bath, geschieden, Vater zweier Töchter und seit einigen Jahren an Parkinson leidend. Von Zeit zu Zeit wird er von der Polizei zu Fällen herangezogen, doch dieses Mal ist es persönlicher: Die vierzehnjährige Sienna, beste Freundin seiner ältesten Tochter, steht eines Abends blutüberströmt vor der Haustür der O’Loughlins. Ihr Vater liegt mit durchtrennter Halsschlagader in ihrem Zimmer, und Sienna kann sich an nichts erinnern. Das Mädchen wird des Mordes an ihrem Vater angeklagt. Doch ist sie wirklich schuldig? Joe O’Loughlin hat große Zweifel und beginnt mit Hilfe des ehemaligen Detective Inspector Vincent Ruiz zu ermitteln. Gemeinsam kommen sie einer erschreckenden Wahrheit auf die Spur.

Der ganz große Pluspunkt des Psychothrillers »Todeswunsch« von Michael Robotham ist seine Hauptfigur: Durch die Parkinson-Erkrankung ist O’Loughlin sehr verletzlich. Sein Geist funktioniert klar und unbestechlich, doch seinen Körper hat er zeitweise nicht unter Kontrolle. Mit teils beißendem Sarkasmus versucht O’Loughlin damit zurechtzukommen. Die Unbeholfenheit des Psychologen und seine Wut auf »Mr. Parkinson«, der sich in seinem Körper ausbreitet, ist dabei ebenso spürbar wie die Ohnmacht und der verzweifelte Kampf um jeden guten Tag. Das macht diesen Krimi von Michael Robotham – trotz des etwas reißerischen Falls – intensiv und beeindruckend.

Leben, morden, sterben?

Auch der Ermittler des schwedischen Autors Leif GW Perssons kämpft mit seinem Körper: Ein Schlaganfall hat den ehemaligen Chef des Reichskriminalamtes Lars Martin Johansson niedergestreckt. Der rechte Arm ist ohne Gefühl, das rechte Bein ohne Kraft, die rechte Gesichtshälfte ohne Mimik. Noch während er im Krankenhaus liegt, berichtet ihm seine Ärztin von einem fünfundzwanzig Jahre zurückliegenden Fall: Ein neunjähriges Mädchen wurde vergewaltigt und erwürgt. Die Ärztin hat nun in der Hinterlassenschaft ihres Vaters einen vagen Hinweis gefunden und bittet Johansson – den Mann, der vor seinem Herzinfarkt berühmt war für seine Fähigkeit, um die Ecke zu denken -, den Mörder zu finden. Unbeweglich, eingeschränkt, zunächst vom Krankenhausbett und dann überwiegend vom Sofa aus beginnt der pensionierte Polizist zu ermitteln.

Schritt für Schritt nähert sich Johansson der Wahrheit, und Stück für Stück erkämpft sich der bärbeißige Genussmensch sein Leben zurück – und immer wieder steht er vor der Frage, was er tun soll, wenn er sein Ziel bzw. seine Ziele erreicht hat: Der Fall ist längst verjährt, sollte Johansson den Täter finden, hat er keinerlei rechtliche Handhabe – was soll er dann unternehmen? Und ist das neue Leben, das sich ihm eröffnet, wirklich das Leben, das er führen will? »Der sterbende Detektiv« ist eine intelligente und bissig-witzige, im Unterstrom leicht melancholische Hommage an die Figur des genialen Detektivs à la Sherlock Holmes, der vom Sessel aus seine Fälle löst – und zugleich etwas völlig anderes, Eigenes, Klarsichtiges.

Mieses Karma

Leonid McGill hingegen kämpft nicht um seinen Körper, sondern um seine Seele. Der New Yorker Privatdetektiv – und neuester Serienheld von Walter Mosley – war jahrelang für die Mafia tätig, doch nun versucht er einen Neuanfang: Ein anderes Leben will er führen, ein besserer Mensch möchte er werden. Doch das ist natürlich nicht so einfach, denn seine Vergangenheit, die Mafia und die Verdorbenheit der Welt holen ihn immer wieder ein.

Ganz im Stil der alten Privatdetektivkrimis schlägt sich McGill in »Manhattan Karma«, dem aktuellen Buch von Walter Mosley, durch eine dunkle gewalttätige Metropole, die regiert wird von Habgier, Hass und Verkommenheit. So sehr dies an die Romane von Dashiell Hammett oder Raymond Chandler erinnern mag: Mosleys Krimi spielt im New York des Jahres 2008. Mit seinem lakonischen Nicht-Helden, der um ein moralisch gutes Leben ringt und alte Schuld abzutragen versucht, gelingt Mosley ein Brückenschlag zwischen dem klassischen PI-Krimi und der Gegenwart.

Kirsten Reimers

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Michael Robotham: Todeswunsch
(Bleed For Me, 2010)
Aus dem Englischen von Kristian Lutze
Goldmann 2011
geb., 510 Seiten, 19,99 Euro
ISBN 978-3-442-31249-8
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Leif GW Persson: Der sterbende Detektiv
(Den döende detektiven, 2010)
Aus dem Schwedischen von
Lotta Rüegger und Holger Wolandt
btb 2011
Tb., 541 Seiten, 14,99 Euro
ISBN 978-3-442-75307-9
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Walter Mosley: Manhattan Karma
(The Long Fall, 2010)
Aus dem Englischen von Kristian Lutze
Suhrkamp 2011
Tb., 389 Seiten, 9,95 Euro
ISBN 978-3-518-46255-3

Diese Besprechung ist erstmals erschienen
in der Frankfurter Neuen Presse.