Verschwurbelte Rachestockungen

Vor fünfzehn Jahren verschwand an einem heißen Sommertag in Florenz ein siebenjähriges Mädchen. Eine Woche später wurde es gefunden: missbraucht und ermordet. In der Gegenwart gibt es an einem kalten Dezemberwochenende ein blutiges Nachspiel.

Christobel Kents Buch lässt sich – trotz des abschreckenden Auf- klebers »Toskanakrimi« auf dem Cover – zunächst recht gut an: Sie nimmt sich viel Zeit für ihre Figuren, die glaubwürdig und recht lebendig agieren, etwas kopflastig vielleicht, aber das passt gut in sich zusammen. Auch die Sprache ist angenehm: gewählt, fein, unaufdringlich, klar. Natürlich: Florenz frei vom Klischee zu zeichnen, ist kaum mehr möglich, aber Kent bekommt es hin, die Stadt nicht nur als hübsche Kulisse, sondern als vielschichtigen Lebensraum unterschiedlichster Figuren zu schildern.

Simulierte Spannung

Das funktioniert über Dreiviertel des Buches alles ganz prima. Aber irgendwann muss die Autorin dann ja auch mal auf den Punkt kommen, schließlich soll es hier um Rache gehen – »A Florentine Revenge« verspricht schon der Originaltitel. Und da zerreißt es das Buch dann: Einerseits wird die Handlung auf einmal hektisch: Gab es anfangs nur zwei Erzählperspektiven, kommen nun immer mehr dazu; kurze Szenen mit dramatischen Cliffhangern häufen sich, um sich dann aber andererseits mit verschwurbelten Reflexionen über Leben, Liebe und den Tod abzuwechseln – simulierte Spannung, die durch die verzagt grübelnde Innenschau von Figuren satt ausgebremst wird. Dazwischen aussagenschwangere Dialoge, deren gekünstelte Ausdrucksweise nicht wie ein wirklich bewusst gewähltes Stilmittel wirkt. Auch die Übersetzung, die anfangs so sorgfältig war, wird nun auf einmal schludrig und uneben: Was da steht, weicht fingerdick von dem ab, was passen könnte.

Und am Ende wird – trotz böser Kindheitstraumata, die natürlich nicht fehlen dürfen – alles wieder gut: endlich strahlender Frühling im lichtdurchfluteten Florenz, alle dunklen Schatten erfolgreich vertrieben. Endlich Postkartenkulisse, klebrig süße, verschwollen langweilige.

Kirsten Reimers

Christobel Kent: Blutrache
(A Florentine Revenge, 2006)
Aus dem Englischen von
Tanja Handels und Ursula Wulfekamp
DuMont Buchverlag: Köln 2011
Tb., 397 Seiten, 9,99 Euro
ISBN 978-3-8321-6145-3

Diese Besprechung ist erstmals
erschienen im Crimemag.