Dünn, nicht knusprig

Ein richtiger Reißer ist das neue Buch von Elizabeth George nicht. Mit großer Behutsamkeit nimmt sie die Langzeitfolgen von Gewalt – erlittene wie ausgeübte – in den Blick und beschreibt sie mit scharfer, unvoreingenommener Beobachtungsgabe. Das ist gut und ehrenwert, aber leider auch ein wenig langatmig. Daneben führt George vorsichtig Inspector Lynley zurück ins Arbeitsleben und drückt ihm eine neue, ziemlich zickige Chefin mit Alkoholproblemen auf, die auch gleich Barbara Havers grundüberholen will.

Richtig packend wird es nur, wenn in kurzen Exkursen geschildert wird, wie in den achtziger Jahren drei Jugendliche ein Kleinkind entführten und töteten: Da findet George zu konzentrierter, klarer Form. Leider nimmt das nur einen sehr kleinen Teil des 830 Seiten langen Wälzers (bereits der 16. Fall für Lynley und Havers) ein. Der Rest schlängelt sich rund um einen Mord auf einem Londoner Friedhof, der seine Wurzeln in Hampshire hat. Diese Geschichte ist eher etwas dünn und wird nicht dadurch besser, dass jeder Aspekt lang und breit ausgewalzt wird. Das mag für Pizzaboden prima sein, als Buchkonzept trägt es selten. In diesem Fall gar nicht.

Kirsten Reimers

Elizabeth George: Wer dem Tode geweiht
Deutsch von Charlotte Breuer
und Norbert Möllemann
Blanvalet 2010
geb., 830 Seiten, 24,99 Euro
ISBN 978-3-7645-0246-1

Diese Besprechung ist zuerst erschienen im CrimeMag