Knapp daneben

Bücher, die man sich schenken kann

Kriminalromane werden zwar in Unmengen gelesen, aber ihr literarischer Ruf ist immer noch zweifelhaft. Das liegt unter anderem an einfach richtig schlechten Büchern. Hier zwei Beispiele.

Simone Buchholz: Knastpralinen

Schwüle Sommerhitze über Hamburg und Leichenteile in der Elbe. Aber nur Köpfe, Hände, Füße – alles männlich -, der Rest ist weg. Wer in den achtziger Jahren die ersten richtig fiesen »Frauenkrimis« gelesen hat, weiß nach genau zwei Seiten, worauf das hinausläuft. Die ermittelnden Beamten und mit ihnen die Staatsanwältin Chastity Riley brauchen deutlich länger, aber immerhin auch nur 250 Seiten. Zumindest bleibt der Umfang übersichtlich.

Aber auch dies reicht, um aus Sankt Pauli eine Touristenattraktion zu machen. Okay: eine abgeranzte Attraktion, aber das ist halt Idyllisierung von unten. Erwartungsgemäß wird alles »Szeneunverdächtige« abgefeiert (und natürlich eine eigene Szene gebildet): Schrammelrock, Dosenbier und Menschen, die hart tun, aber eigentlich totaaal sentimentale Romantiker sind. Und das wird dann als »echt« verkauft, in einem Stil, der frisch sein will, aber oft nur unbeholfen wirkt.

Baden Kenney: Nadelstiche

Der »Vampir« geht um in New York: Er überfällt offenbar wahllos Menschen am helllichten Tag in ihrer eigenen Wohnung und zapft ihnen ein wenig Blut ab. Als seine Taten brutaler werden und Menschen sterben, wird der Pathologe Jake Rosen – mittelalt, attraktiv, brillanter Wissenschaftler, aber vollkommen unorganisiert im Alltagsleben – hinzugezogen. Ein zweiter Fall, der – so ein Zufall aber auch! – unerwarteterweise mit den Blutzapfkram zusammenhängt, bringt auch Rosens Freundin, die Anwältin Philomena »Manny« Manfreda – jung, hübsch, rotlockige Mähne, mit Vorliebe für Manolo Blahniks – ins Spiel.

Personen, geleckt wie einem Werbespot für Luxusschnickschnack entsprungen, mit der charakterlichen Tiefe von Filzstiftzeichnungen, lösen einen hanebüchenen Mordfall, der ein bisschen Betroffenheitsquark aufrührt. Nahezu unerträglich ist in dieser Mischung aus Chicklit und Forensikdramolett die Selbstgefälligkeit und die Klischeestarre. Solche Bücher verraten mehr über die Autoren, ihr Selbst- und ihr Idealbild, als man wirklich wissen möchte. Michael Baden ist übrigens Pathologe im Ruhestand, seine Ehefrau Linda Kenney Anwältin.

Kirsten Reimers

Simone Buchholz: Knastpralinen
Droemer 2010
Klappbroschur, 251 Seiten, 12,95 Euro
ISBN: 978-3-426-19814-8
auch erhältlich als eBook (hier klicken)

Michael Baden & Linda Kenney: Nadelstiche
(Skeleton justice, 2009)
Aus dem amerikanischen Englisch
von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Blessing 2010
Klappbroschur, 366 Seiten, 14,95 Euro
ISBN 978-3-89667-286-5

Diese Besprechung wird auch erscheinen auf satt.org