Gut gemeint, nicht zwingend gut gemacht
Kathy Reichs ist nicht nur Krimiautorin, sondern auch Professorin für Anthropologie an der Universität in Charlotte, North Carolina (USA), und als forensische Anthropologin für das Office of the Medical Examiner in North Carolina sowie für das Laboratoire de Sciences Judiciaires et
de Médecine Légale in Montréal tätig. Das spiegelt sich in ihren Krimis wider: Reichs weiß, wovon sie schreibt. Eher unaufgeregt als bluttriefend, sind ihre Beschreibungen von Obduktionen, Knochenanalysen oder Gewebeextraktionen eine detailreiche, aber dennoch meist unterhaltsame Lehrstunde in Anatomie, Forensik, Anthropologie und und und. In ihre Romane fließen Fälle ein, an denen sie mitgearbeitet hat, das macht es oft sehr lebensnah mit einem guten Blick für Zusammenhänge und Hintergründe.
Als externe Beraterin war Reichs auch tätig für das JPAC, das Joint POW/MIA Accounting Command mit Sitz auf Hawaii, dessen Aufgabe die Suche nach Kriegsgefangenen und vermissten Soldaten der Streitkräfte der USA sowie deren Identifizierung ist. In erster Linie geht es um verschollene Armeeangehörige aus dem Zweiten Weltkrieg, dem Koreakrieg, dem Kalten Krieg und den Kriegen in Südostasien. Das bildet den Hintergrund für Reichs neuesten Krimi: »Blut vergisst nicht« (»Spider Bones«, 2010). In dessen Nachwort schreibt die Autorin, sie wollte vermitteln, was sie empfunden hat bei der Identifizierung von Männern und Frauen, »die vor langer Zeit und weit weg von zu Hause im Dienst an ihrem Land umgekommen waren«.
Ein durchaus ehrbares Anliegen. Aber leider auch ein bisschen erzwungen, denn die Umsetzung ist über weite Strecken steif und belehrend, an anderen Ecken wiederum so krampfhaft auf Spannung gebürstet, dass das neue Buch ein wenig zusammengestoppelt und überladen wirkt. Und etwas pathetisch.
Schwankend zwischen Offensichtlichem und völlig Verworrenem
Dr. Temperence Brennan, die den gleichen Beruf ausübt wie ihre Schöpferin, hat es diesmal mit einer Wasserleiche zu tun, die aus einem See in der Nähe von Quebec gezogen wird. Offenbar ein reichlich bizarrer autoerotischer Unfall nur wenige Stunden zuvor. Doch die Fingerabdrücke der frischen Leiche gehören zu einem US-amerikanischen Soldaten, der angeblich 1968 in Vietnam gefallen ist und in seinem Heimatort in den USA begraben liegt. Um der Sache auf den Grund zu gehen, werden die sterblichen Überreste exhumiert und beim JPAC auf Hawaii untersucht. Brennan wird als externe Beraterin hinzugezogen.
Die Ermittlungen und Verwicklungen, die sich nun ergeben, schwanken zwischen derart kurzsichtig beziehungsweise offensichtlich, dass man in den Tisch beißen möchte als Ersatzhandlung dafür, dass man die Figuren nicht schütteln kann, damit sie endlich mal die Augen aufmachen. Andere Handlungsstränge sind dagegen so gewollt verworren und mit medizinischen Sonderfällen aufgemotzt, dass man Probleme hat, die tatsächlichen Zusammenhänge zu verstehen. Dazu kommen die üblichen emotionalen Unentschiedenheiten zwischen Brennan und ihrem On/Off-Lover Detective Ryan, die inzwischen in ihrer Absehbarkeit auch nur noch ermüden.
Ganz offenbar ist die Luft raus aus Reichs Temperence-Brennan-Krimis. Das ist sehr schade, denn sie waren wirklich gut: sorgfältig recherchiert, den Blick über den Krimirand hinauswerfend, mit Bedacht in der Gegenwart angesiedelt und spannend ohne größere Effekthascherei. Doch der aktuelle Band, immerhin der 13. der Serie, kann damit leider nicht aufwarten.
Kathy Reichs: Blut vergisst nicht
Aus dem amerikanischen Englisch von Klaus Berr
Karl Blessing Verlag 2010
geb., 384 Seiten, 19,95 Euro
ISBN 978-3-89667-324-4
auch erhältlich als eBook (hier klicken)
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Diese Besprechung ist auch erschienen auf satt.org

bei der Rettung der Frau die DNA-Spuren beseitigen (müssen), kann die Tat keinem der Familienväter zweifelsfrei zugeordnet werden. Die Vergewaltiger gehen straffrei aus, es kommt nicht einmal zum Prozess. Der Erzähler, ein sehr junger Strafrechtanwalt, ist der Verteidiger eines der Täter; er muss sich eingestehen, dass er mit diesem Mandat seine Unschuld verloren hat.
Schwüle Sommerhitze über Hamburg und Leichenteile in der Elbe. Aber nur Köpfe, Hände, Füße – alles männlich -, der Rest ist weg. Wer in den achtziger Jahren die ersten richtig fiesen »Frauenkrimis« gelesen hat, weiß nach genau zwei Seiten, worauf das hinausläuft. Die ermittelnden Beamten und mit ihnen die Staatsanwältin Chastity Riley brauchen deutlich länger, aber immerhin auch nur 250 Seiten. Zumindest bleibt der Umfang übersichtlich.
Menschen sterben, wird der Pathologe Jake Rosen – mittelalt, attraktiv, brillanter Wissenschaftler, aber vollkommen unorganisiert im Alltagsleben – hinzugezogen. Ein zweiter Fall, der – so ein Zufall aber auch! – unerwarteterweise mit den Blutzapfkram zusammenhängt, bringt auch Rosens Freundin, die Anwältin Philomena »Manny« Manfreda – jung, hübsch, rotlockige Mähne, mit Vorliebe für Manolo Blahniks – ins Spiel.
der internen Ermittlung.
Präsidenten führt, ragt ein mumifizierter Arm. Schuld daran ist ein Steinschlag: Die Villa des laotischen Staats- oberhaupts liegt vor einer der Höhlen, in denen sich die Anhänger der kom- munistischen Partei während des Vietnam- krieges verbargen. Von hier aus organisierten sie den Widerstand und den Befreiungskampf. Tausende lebten hier, und es existierte eine regelrechte Stadt in den Höhlen unter den Karsten. Diese hatten jedem Bombenangriff der USA standgehalten, selbst dem Streuteppich der Fünfhundert-Kilo-Bomben gegen Ende des Krieges.