»Aber wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe!«

»Max und Moritz« fast reloaded

Bizarre Todesfälle auf einem Einödhof: Weil ihre Lieblingshühner gemein ermordet und grotesk drapiert wurden, ruft die Bäuerin eines äußerst abgelegenen Hofes einen Privatdetektiv aus der Großstadt zu Hilfe. Dieser vermutet hinter den Taten einen schlechten Scherz, nimmt aber die lange Fahrt aufgrund seines leeren Bankkontos auf sich. Auf dem Bauernhof angekommen, scheint sich sein Verdacht zu nächst zu bestätigen: Die Missetaten könnten von frechen Kindern aus dem Dorf verübt worden seien, offenbar sind die Bewohner des Einödhofs – Bauer, Bäuerin und minderjährige Tochter – in der Umgebung nicht sehr beliebt. Als jedoch der Hof durch einen erneuten Anschlag von der Außenwelt abgeschnitten wird, nimmt die Situation bedrohliche Ausmaße an, denn aus den schlechten Scherzen werden wirkliche Verbrechen, die an Gewalttätigkeit zunehmen. Ein erstes Licht ins Dunkel bringt die Entdeckung, dass der Täter sich an der Bildergeschichte »Max und Moritz« von Wilhelm Busch orientiert.

Zunächst sind Stil und Idee sehr amüsant. Der Detektiv ist in seiner Schnodderigkeit und Abgebrühtheit an die klassischen Private Eyes der Hard-boiled-School angelehnt; in zynischer Manier zieht er pointierte Vergleiche.

Die Bäuerin, meine Klientin, kämpfte in der gleichen Gewichtsklasse wie ihr Mann. Sie hatte nicht etwa zu viele Rundungen, die an den falschen Stellen saßen, sie war vielmehr ein einziges Rund. Immerhin passte sie mit dieser Figur perfekt in das sackartige Gebilde, das sie als Kleidung trug.

Das ist über weite Strecken sehr charmant, wirkt aber im Laufe der Zeit etwas gewollt, manches gar zu sehr zusammengezwungen. Die Bildergeschichte von Wilhelm Busch dient als Ideenmotor, zudem wird sie zur Veranschaulichung der Theorie des Detektivs samt dazugehörigen Zeichnungen erzählt. Eine spannende Kombination, die zunächst gut funktioniert. Das Ergebnis ist eine aktuelle und sehr genaue Lesart der alten Geschichte.

Aber als es auf die Motivation der Taten und die Entlarvung des Täters zuläuft, wird es schwierig. Was bei Busch durch Überzeichnung ins Humorvoll-Groteske verschoben wird, schlägt bei Rauch ungemildert durch – der lockere Ton, die zynisch-munteren Auslassungen, sie wollen nicht zur Ernsthaftigkeit der Gründe hinter den Verbrechen passen. Das Lachen bleibt einem nicht nur im Halse stecken – es würgt einen geradezu. Und ein unangenehmes Gefühl schleicht sich ein. Zu aufgekratzt der Ton zuvor, zu überzogen das Geschehen bis dahin. Das verharmlost entweder das Motiv oder stößt den Leser vor den Kopf. Beides wird nicht Absicht des Autors gewesen sein.

»Rickeracke« ist der zweite Krimi von Josef Rauch. Der erste, »Der Fall Urbas«, ist an die Erzählung »Adam Urbas« von Jakob Wassermann angelehnt. Anlass für »Rickeracke« war der 100. Todestag von Wilhelm Busch im Jahr 2008.

Kirsten Reimers

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Josef Rauch: Rickeracke
Verlag M. Naumann 2008
gebunden, 142 Seiten, 9,95 Euro
ISBN: 978-3-940168-27-6