Ghost in schweren Ketten

Statt feiner Feder leider nur Betroffenheit

Die Ghostwriterin Kea Laverde erwacht verkatert an einem Sonntagmorgen und findet einen fremden Mann in ihrer Küche vor. Der will offenbar gerade Kaffee kochen. Hat sie den wirklich gestern Nacht mit nach Hause genommen? Föhnfrisur und Slipper – eigentlich nicht ihr Stil. Doch als der Kerl mit kaum beleidigter Miene ob des Rauswurfs verduftet – allerdings gleich darauf bei einem Unfall noch in Keas Auffahrt stirbt – und sie entdecken muss, dass die Unterlagen für ihren neuesten Auftrag verschwunden sind, wird ihr klar, dass es sich wohl zum Glück nicht um einen One-Night-Stand, sondern um einen Einbrecher handelte.

Der Anfang ist vielversprechend: Die Hauptfigur ist sympathisch – weiblich, rundlich, trinkfest, schreibend -, Selbstironie und Unkonventionalität blitzen auf. Doch leider verpuffen sie auch allzu bald wieder. Was folgt, ist solide, keine Frage, gutes Handwerk, besser als das meiste auf dem deutschsprachigen Krimimarkt. Die wichtigsten Figuren sind psychologisch fein austariert, der ist Plot durchdacht, mitunter leuchtet gar Witz auf. Doch leider ist die Story letztlich ziemlich vorhersehbar und auch ein wenig behäbig. Was einem als Leser recht bald klar ist, wird von den Ermittlern noch lange nicht entdeckt.

Psychologisch fein austarierte Figuren, leider bleischwer agierend

Die Hauptfiguren – die unabhängige, taffe Ghostwriterin und ein verwitweter Kommissar mit traurigen Torfaugen – sind mit emotionalen Wunden übersät und agieren oftmals bleischwer ob dieser alten Verletzungen. Keine ironische Distanz fängt das auf, stattdessen ist Betroffenheit gefordert. Die Nebenfiguren sind weitgehend nach Klischees geformt, die ihnen aber nicht recht zu passen scheinen und mitunter wie zu groß geratene Hüllen wirken: Der schwule beste Freund kommt einem weder schwul noch wie ein vertrauter Freund vor, der aalglatte Bösewicht in dunkler Limousine ist letztlich eher harmlos.

Dazu kommt die Ernsthaftigkeit des Themas – international agierende Pornoringe, Snuffvideos und ein Aphasiker, dessen wacher Geist in einem sprachlosen Körper gefangen ist -, die aber am Ende in einer heilen Welt versickert. Denn nach 370 Seiten sind die Bösewichter hinter Gitter (okay, einer ist flüchtig), jede Frage ist geklärt, Heldin und Held nähern einander vorsichtig an. Vorhang. Aber kann es wirklich so einfach sein? Schließlich wurde viel Mühe darauf verwendet, zu zeigen, dass auf dem Pornomarkt mit äußerst harten Bandagen gekämpft wird und dass dies ein internationales Problem ist, da es in zahlreichen Staaten Löcher in der Rechtsprechung gibt, die weidlich ausgenutzt werden. Doch das scheint am Ende keine Rolle mehr zu spielen: In München und dem kleinen Örtchen vor seinen Toren ist wieder alles sicher und kuschelig.

Kirsten Reimers

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Friedrike Schmöe: Schweigfeinstill
Gmeiner 2009, Pb, 371 Seiten, 11,90
ISBN: 978-3-89977-805-2