Verborgene Leidenschaften

Der Sumpf unter der wohlsituierten Oberfläche

Ausgerechnet von einem Einbrecher, dem Junkie Geordie, wird der Geschichtsprofessor Roger Harvey tot in seiner Wohnung aufgefunden. Warum jemand den Mittdreißiger hätte brutal erschlagen sollen, ist nicht ersichtlich. Harvey lebte ein ruhiges, unauffälliges Leben: Nach einer verlorenen Liebe gab es nur ein paar oberflächliche Beziehungen. In erster Linie engagierte sich der Historiker für seine Arbeit – und die gibt auch keinen Grund zu einem Mord aus leidenschaftlicher Wut her. Auffällig ist nur, dass sein Nachbar David Mitchell in der gleichen Nacht verschwand, in der auch Harvey getötet wurde. Als bekannt wird, dass Mitchell seinen derzeitigen Auftraggeber hintergangen hat, um große Geldsummen in die eigene Tasche zu scheffeln, erwächst daraus ein Mordverdacht. Gleichzeitig erfahren die ermittelnden Beamten Detective Chief Inspector Jacobson und Detective Sergeant Kerr, dass eine von Harveys Exfreundinnen unter Druck zu Gewaltexzessen neigt und den Historiker bereits vor geraumer Zeit mit einem Messer bedroht hat.

Verhaltenes Tempo, unverstellter Blick

Viele Fragezeichen für Jacobson und Kerr, die in »Gefährliches Wiedersehen« (im Original: »A Study in Death«) zum vierten Mal im fiktiven Städtchen Crowby in den englischen Midlands auf Verbrecherjagd gehen. Das tun sie in verhaltenem Tempo und mit vorsichtigem Blick. Es zeigt sich: Hinter der glatten Oberfläche hat jeder etwas zu verbergen: Opfer, Nachbarn, Zeugen. Auch die Ermittler selbst machen da keine Ausnahme: Der DCI trinkt zu viel, und Sergeant Kerrs Ehe liegt in Trümmern, woran er selbst nicht unschuldig ist.

Iain McDowalls Stärke ist sein klarer Blick für Menschen und Verhältnisse. Auch wenn diesmal der Fall etwas blass geraten und das Geschehen etwas vorhersehbar ist, so bleibt doch die Qualität des soliden Krimis überzeugend. Schnörkellos, mit scharfer Beobachtungsgabe zeichnet McDowall seine Figuren wie ihre Handlungen, immer glaubhaft, immer lebendig, immer intensiv. Das Verbrechen erwächst aus Gelegenheiten und Verletzungen, aus Konstellationen, die wenige Auswege lassen, weil Menschen immer weiter hineingetrieben werden oder sich selbst hineintreiben.

Kirsten Reimers

Iain McDowall: Gefährliches Wiedersehen
Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence
Deutscher Taschenbuch Verlag 2009
Tb, 255 Seiten, 8,95 Euro
ISBN: 978-3-423-21124-6