Das kriminellste Dorf Italiens
In das Dörfchen Montesecco im Hinterland der Adria verirrt sich niemand aus Zufall. Der Exodus der Arbeitssuchenden hat es ausgedünnt, nur noch eine Handvoll Menschen wohnt hier kontinuierlich. Im Sommer kommen manchmal diejenigen zurück, die nun woanders erfolgreich sind, um hier in der Heimat ihren Urlaub zu verbringen wie zum Beispiel der »Americano«, der es in den USA auf mehrere Pizzerien gebracht hat. In Montesecco hingegen gibt es nichts, einmal abgesehen von der schäbigen kleinen Bar, die vor dem Kirchenportal an der Piazzetta liegt, dem zentralen Sammelpunkt des Örtchens.
Schon seit Jahrzehnten zeigt die Uhr auf dem Palazzo Civico zwanzig nach acht. Die Zeit scheint das Dorf vergessen zu haben. Eine Zukunft ist nicht zu erwarten, lediglich langsamer Zerfall. Weder Staats- noch Gottesmacht sind hier vertreten. Einen Bürgermeister gibt es nicht, der Pfarrer des nächstgrößeren Ortes kommt nur gelegentlich vorbei, und für eine Polizeistation ist das Dörfchen eh zu klein und unbedeutend. So sind die Bewohner auf sich selbst zurückverwiesen. Schon seit Jahren. Was auch immer ansteht: Sie regeln es auf ihre Weise. Das zeigt eindrucksvoll das erste Buch.
Die Vipern von Montesecco
Ein glühend heißer Sommer hält das Dorf fest in seinem Griff. Staubig und trocken ist es; und die Vipern so giftig und beißwütig wie nie zuvor. Unter jedem Stein scheint eine zu lauern, als würde die Erde selbst Gift speien. Die Stimmung in Montesecco ist angespannt und aufgeladen, kehrt doch nach fünfzehn Jahren Matteo Vannoni aus dem Gefängnis zurück ins Dorf. Er hat damals seine Frau erschossen, als er sie mit Giorgio Lucarelli im Bett erwischte. Lucarelli wohnt immer noch hier. Und das Dorf wartet atemlos auf die erste Begegnung der beiden. Als Lucarelli wenig später an einem Vipernbiss stirbt, ist das für die Polizei ein bedauerlicher Unfall. Doch den Dorfbewohnern ist klar: Das war Mord, es war einer von ihnen, und es war nicht unbedingt Vannoni. Nun ist nicht nur der Boden, sondern auch die Luft vergiftet. Um wieder atmen zu können, macht sich das ganze Dorf daran, die Sache aufzuklären. Schließlich ist man gewohnt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen – bis hin zum säkularisierten Gottesurteil am Ende.
Die Drachen von Montesecco
Acht Jahre sind seit dem Vipernsommer vergangen. Nun herrscht Herbst, der Maestrale weht und bringt trockene, kalte Luft aus dem Nordwesten heran. Und er nimmt den letzten Lebenshauch des alten Benito Screggia mit sich. Zuvor hatte der über Achtzigjährige drei Tage lang in Saus und Braus gelebt: Mit drei Edelnutten aus Rom, einem Pianisten, einem Berg an Delikatessen und einem Wasserbett hatte er sich im verlassenen Pfarrhaus eingemietet. Screggia hinterlässt ein unerwartetes Vermögen: 5,5 Millionen Euro. Mit der Aussicht auf so viel Geld erwacht die Gier in Montesecco. Jeder möchte in irgendeiner Form davon profitieren. Aber nicht nur der Geschäftssinn der Bewohner wird angestachelt, auch die kriminelle Energie bekommt einen mächtigen Schub. Als der jüngste Bewohner des Dörfchens gekidnappt wird und der oder die Entführer 2 Millionen Euro Lösegeld fordern, ist allen klar: Der Erpresser ist ihnen sehr, sehr nah.
Die Augen der Medusa
Im dritten Buch sind es Staat und Medien, die mit Macht über Montesecco hereinbrechen. Vor den Toren des Dorfes wird der berühmte Staatsanwalt Malavoglia Opfer eines Anschlags. Der Attentäter verschanzt sich mit vier Geiseln in einem Haus in Montesecco. Ein enormes Aufgebot an Polizei samt Sondereinsatztruppen quartiert sich im verlassenen Pfarrhaus und in der Kirche ein, mindestens ebenso groß ist das Heer der herbeiströmenden Presseleute. Ganz Italien schaut auf das Dörfchen. Und den Bewohnern wird klar: Als Attentäter verdächtigt die Polizei einen von ihnen: den siebzehnjährigen Minh. Dass der Junge, der vor neun Jahren das Opfer der Entführung geworden war, ein kaltblütiger Terrorist sein soll, kann sich keiner der Dörfler vorstellen. Im Gegenteil: Die Einwohner können schlüssig darlegen, warum Minh es auf keinen Fall schuldig sein kann. Doch niemand glaubt ihnen. Erneut müssen sie ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Angesichts des übermächtigen Gegners ein aussichtsloses Unterfangen – bis sie die Regeln hinter den Regeln entdecken und für sich nutzen.
Dunkle Seiten, sanft verwoben
So harmlos schnurrig und schrullig, wie man zunächst annehmen möchte, ist die Trilogie von Bernhard Jaumann nicht. Unter der pittoresken, mitunter burlesken Oberfläche liegen tiefe Risse, die Individuum, Staat und Medien gleichermaßen durchziehen – kein Wunder, agieren doch auch in Politik und Presse nur Menschen mit menschlichen Schwächen. Ergibt sich die Gelegenheit, sich auf die Schnelle zu bereichern, greift unterschiedslos jeder zu in der Hoffnung, damit durchzukommen. In dem leidenschaftlichen, alles beherrschenden Wunsch, etwas bestimmtes zu besitzen – Liebe, Geld, Macht -, in der Gier liegt die Motivation der Verbrechen in Jaumanns Montesecco.
Doch es gibt auch andere Seiten in denselben Menschen: Solidarität, Freundschaft und Liebe. Das Dörfchen mag statistisch gesehen die höchste Verbrechensrate Italiens haben, die Bewohner sich untereinander beharken und manchmal ans Leben und Vermögen wollen, in einem sind sich alle einig: in ihrer Gegenwehr gegen Autoritäten, besonders staatliche. Das hat Tradition und reicht über die Lotta continua bis zur Resistenza während der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg zurück. Doch die Mittel von damals können heute nicht mehr greifen.
Freundlich unterlaufene Klischees
Protagonist der Bücher ist die Bewohnerschaft als Ganze. Als Gemeinschaft agieren die Menschen mit- und auch gegeneinander, besonders hervorgehoben wird keiner. Zwar wirft Jaumann in der Figurenzeichnung durchaus Klischees auf, doch nach und nach, Seite um Seite füllt er sie mit Leben, lässt Widersprüche zu, legt Abgründe frei. Ähnlich verhält es sich mit dem Italienbild, das der Autor entwirft: Rotwein und Grappa, Mafia und Korruption werden ebenso wie die Roten Brigaden, der Wasserkopf der Bürokratie, Börsenmakler auf der Suche nach Bauernweisheiten und die Sensationsbesessenheit der Medien satirisch ausgeleuchtet und sanft abgepolstert. Das vermag Jaumann in einer eleganten, leichten, unaufdringlichen Sprache, die zugleich intensive, sinnliche Bilder evoziert – die Gluthitze im ersten Band ist ebenso spürbar wie die irrationale Angst, die alles durchdringt; die Kälte des eisigen Winters ist in den »Augen der Medusa« wie die anfängliche Schreckensstarre der Dorfbewohner fast greifbar.
Geschehen und Figuren angemessen, ist das Tempo zurückgenommen. Das gibt dem Ganzen mitsamt der Verbundenheit der Personen trotz aller dunkler Seiten etwas Herziges und Gemächliches. Das ist nicht jedermanns Sache, passt aber gut zum Konzept der Trilogie.
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Bernhard Jaumann: Die Vipern von Montesecco
Aufbau Taschenbuch Verlag 2007
Tb, 275 Seiten, 8,99 Euro
ISBN: 978-3-7466-2301-6
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Bernhard Jaumann: Die Drachen von Montesecco
Aufbau Verlag 2007
geb., 278 Seiten, 19,90 Euro
ISBN: 978-3-351-03208-1
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Bernhard Jaumann: Die Augen der Medusa
Aufbau Verlag 2008
geb., 296 Seiten, 19,95 Euro
ISBN: 978-3-351-03243-2
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Diese Rezension ist auch erschienen auf satt.org

Ausgerechnet von einem Einbrecher, dem Junkie Geordie, wird der Geschichtsprofessor Roger Harvey tot in seiner Wohnung aufgefunden. Warum jemand den Mittdreißiger hätte brutal erschlagen sollen, ist nicht ersichtlich. Harvey lebte ein ruhiges, unauffälliges Leben: Nach einer verlorenen Liebe gab es nur ein paar oberflächliche Beziehungen. In erster Linie engagierte sich der Historiker für seine Arbeit – und die gibt auch keinen Grund zu einem Mord aus leidenschaftlicher Wut her. Auffällig ist nur, dass sein Nachbar David Mitchell in der gleichen Nacht verschwand, in der auch Harvey getötet wurde. Als bekannt wird, dass Mitchell seinen derzeitigen Auftraggeber hintergangen hat, um große Geldsummen in die eigene Tasche zu scheffeln, erwächst daraus ein Mordverdacht. Gleichzeitig erfahren die ermittelnden Beamten Detective Chief Inspector Jacobson und Detective Sergeant Kerr, dass eine von Harveys Exfreundinnen unter Druck zu Gewaltexzessen neigt und den Historiker bereits vor geraumer Zeit mit einem Messer bedroht hat.
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