Versprochene Großereignisse auf dem Prüfstand
Große Gefühle, fiese Schurken, eiskalte Psychopathen, ewig währende Liebe, atemberaubende Spannung und noch eine ganze Menge mehr sollen »Julia« und »Hingabe« bereithalten. Ob das wirklich alles da ist? Und ob sich die Bücher außerdem noch angenehm lesen lassen?
Anne Fortier: Julia
Die 25-jährige Amerikanerin Julia erbt beim Tod der Tante, die sie und ihre Zwillingsschwester Janice an Mutterstatt erzogen hat, den Schlüssel zu einem Bankschließfach in Siena. Doch darin versteckt sich nicht der erhoffte Familienschatz, sondern Notizen und alte Manuskripte. Bei
deren Lektüre muss Julia feststellen, dass sie offenbar verwandt ist mit der Shakespearschen Julia – genau: jener aus »Romeo und Julia« -, beziehungsweise deren realen Vorbild. Frühe Fassungen der unglücklichen Liebesgeschichte, auf die auch der britische Dramatiker zurückgriff, siedeln die ursprüngliche Begebenheit in Siena an. Dort befehdeten sich im späten Mittelalter die Familien Tolomei und Salimbieni aufs Blutigste – und Julia ist ein Spross der Tolomei. Doch damit nicht genug: Auf den Familien scheint bis heute ein Fluch zu liegen, und die Feindschaft ist so frisch wie ehedem. Damit beginnt ein Abenteuer mit finsteren Schurken, ewiger Liebe und einem verborgenen Schatz.
Das klingt ziemlich abgedroschen und schmalzig – doch tatsächlich schafft es Anne Fortier, haarscharf am unerträglich Süßlichen vorbeizuschrappen. Die Figuren sind nicht ganz so klischeelastig, wie sie im ersten Augenblick scheinen, denn ihr Verhalten wird ziemlich gut motiviert und recht plausibel in den Persönlichkeiten verankert. Die Handlung wechselt zwischen dem 14. Jahrhundert und der Gegenwart. Für die mittelalterlichen Passagen hat Fortier offenbar auf historische Dokumente und alte Fassungen der berühmtesten Liebesgeschichte der Welt zurückgegriffen. Die Gegenwart wird aus Sicht der naiven, verträumten Julia geschildert, und zwar rollengerecht romantisch-verklärt. Doch die sarkastischen Bemerkungen, mit denen die illusionslose Janice die versponnene Perspektive der Zwillingsschwester immer wieder konterkariert, verhindern ein Abgleiten ins Zuckrige. Mitunter wird es munter überdreht, mit Zufällen und netten Einfällen gespickt, so dass keinerlei düstere Dramatik aufkommen will, wie der Trailer suggeriert. Stattdessen ist »Julia« (»Juliet«, 2010) eine fluffig-leichte Sommerschmonzette, die sich selbst nicht übermäßig ernst nimmt.
Esther Verhoef: Hingabe
Deutlich gravitätischer kommt Esther Verhoefs »Hingabe« (»Close-up«, 2007) daher. Dessen Protagonistin ist die 32-jährige Margot, die ihren langjährigen und untreuen Freund verlassen hat.
Margot zieht aus ihrem Heimatdorf in die nächstgrößere Stadt, lernt einen ebenso attraktiven wie undurchsichtigen Mann kennen und löst sich vom Altbekannten und Ver- trauten. Dies könnte ein solider Roman über erwachende Selbstbestimmung sein. Denn Verhoef schafft es, ihre Hauptfigur nach und nach selbstbewusster und mutiger agieren zu lassen, ohne groß darüber reflektieren zu müssen oder gar zu dozieren. Das ist ein sehr überzeugender Prozess. Nicht neu, nicht überraschend, aber gut gemacht.
Doch leider wird dem Ganzen eine Thrillerhandlung aufgepfropft. Während Margot neue Seiten an sich, der Welt und dem Sex entdeckt, nimmt sie ein psychopathischer Mörder ins Visier. In kurzen Kapiteln schildert der seine Leidenschaft, seine Handlungen und Pläne. Das ist weder spannend noch wirklich überzeugend, denn die Motivation dahinter ist eher dürftig. So wirkt Esther Verhoefs »Hingabe« wie ein unentschiedener Hybrid, der sich letztlich im Banalen verliert.
Anne Fortier: Julia
Aus dem amerikanischen Englisch
von Birgit Moosmüller
Krüger 2010
geb., 637 Seiten, 19,95 Euro
ISBN 978-3-8105-0678-8
auch erhältlich als eBook (hier klicken)
auch erhältlich als Hörbuch-Download (hier klicken)
Esther Verhoef: Hingabe
Aus dem Niederländischen von Stefanie Schäfer
btb 2010
geb., 413 Seiten, 19,95 Euro
ISBN 978-3-442-75238-6
auch erhältlich als eBook (hier klicken)
Diese Rezension ist auch erschienen auf satt.org

trägt den etwas unspezifischen Titel »Der Finne« (im Original: »Marsalkan miekka«). In ihm schickt der Autor seinen Serienhelden Arto Ratamo, Ermittler bei der Sicherheitspolizei, gemein- sam mit einem Historiker und einer Wanderführerin auf die Suche nach einem historischen Dokument, genannt »Das Schwert des Marschalls«. Dieses Manuskript ist der Schlüssel für die »Unabhängigkeit Finnlands heute und in aller Zukunft« (jaha!) und ist der Grund, warum Finnland nicht komplett vom mächtigen Nachbarn Russland geschluckt wurde. Klar, dass mehrere Parteien ein Interesse haben, an das Buch heranzukommen. Neben dem Trio ist auch der russische Geheimdienst hinter dem Buch her, und die russische Kirche hat ein ganz eigenes Interesse an dem Dokument.
misstrauisch beäugt, schlägt er sich mit niederen Jobs durch. Im aktuellen Buch – »Der tibetische Verräter«, im Original »The Lord of Death« (2009) – hat er in den Bergen Tibets Arbeit gefunden bei einem Geschäftsmann, der unter anderem Ausrüstungen für Kletterexpeditionen verkauft. Shan ist in diese Gegend ge- kommen, weil sein Sohn hier in einem berüchtigten Lager interniert wurde, das auch als »Yeti-Fabrik« bekannt ist: eine psychiatrische Anstalt, in der mit den Insassen experimentiert wird; wem die Flucht gelingt, stolpert meist ziellos durch die Berge, »nackt, im Schnee, mit den geistigen Fähigkeiten von Affen«.
Mord, bei dem das Opfer in zahllose Einzelteile zerrieben, zerrissen und zerquetscht wurde, führen Kommissar Adamsberg, den intuitiven Wolken- schaufler, in ein kleines Dorf in Serbien. Dort gelangt er an den »verbotenen Ort«: das Grab des Untoten Peter Plogojowitz. Den hat es tatsächlich gegeben – nicht oder vermutlich doch gestorben 1725 -, ebenso wie Arnold Paole, der aus der gleichen Gegend stammt – und 1732 vielleicht gestorben ist.